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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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und Bläschen waren aus seinen doppelten Luftlöchern aufgestiegen. Bettik hatte befohlen, auch diesen Manta loszuschneiden, und erklärt, dass er eine geringe Überlebenschance hätte, wenn er sich in den schnelleren Strömungen treiben lassen konnte.
    Die Pilger waren wach gewesen und hatten bis vor Sonnenaufgang die vorbeiziehende Landschaft betrachtet. Sie sprachen wenig, keiner hatte etwas zu Martin Silenus sagen können. Dem Dichter schien das nichts auszumachen. Er trank Wein zum Frühstück und sang zotige Lieder, als die Sonne aufging.
    In der Nacht war der Fluss breiter geworden, am Morgen war er eine zwei Kilometer breite blaugraue Straße, die durch die flachen, grünen Hügel südlich des Grasmeers schnitt. So nahe am Meer gab es keine Bäume, die Braun-, Gold- und Heidekrautfarbtöne des Buschwerks der Mähne waren allmählich dem strahlenden Grün der hohen nördlichen Gräser gewichen. Die Hügel hatten sich den ganzen Vormittag über näher gedrängt, bis sie nur noch aus zwei Streifen grasbewachsener Klippen rechts und links vom Fluss bestanden. Im Nordosten hing ein fast unsichtbarer dunkler Schatten über dem Horizont, und die Pilger, die auf Wasserwelten gelebt hatten und wussten, dass es sich um Vorboten eines nahen Meeres handelte,
mussten sich daran erinnern, dass das einzige Meer in der Nähe aus mehreren Milliarden Hektar Gras bestand.
    Edge war nie ein großer Vorposten gewesen, aber nun war es völlig verlassen. Die wenigen Gebäude entlang der gestampften Straße vom Dock hatten das leere Aussehen aller verlassenen Häuser, und am Ufer waren Spuren zu erkennen, denen zufolge die Bevölkerung schon vor Wochen geflohen war. Das Pilgrim’s Rest, ein dreihundert Jahre altes Gasthaus gleich unter der Hügelkuppe, war niedergebrannt worden.
    A. Bettik begleitete sie zum Gipfel der niederen Klippe. »Was wirst du jetzt machen?«, fragte Oberst Kassad den Androiden.
    »Laut Maßgabe des Tempels sind wir nach dieser Reise frei«, sagte Bettik. »Wir lassen die Benares für Ihre Rückkehr hier und nehmen das Boot flussabwärts. Und dann machen wir uns auf den Weg.«
    »Mit der allgemeinen Evakuierung?«, fragte Brawne Lamia.
    »Nein.« Bettik lächelte. »Wir haben unsere eigenen Ziele und Pilgerfahrten auf Hyperion.«
    Die Gruppe kam zur gerundeten Kuppe der Klippe. Die Benares hinter ihnen schien ein winziges, am Dock festgezurrtes Ding zu sein; der Hoolie floss nach Südwesten in den blauen Dunst jenseits der Stadt, diesseits machte er eine Biegung nach Westen und verengte sich ein Dutzend Kilometer flussaufwärts von Edge zu den unpassierbaren Unteren Wasserfällen. Im Norden und Osten erstreckte sich das Grasmeer.
    »Mein Gott«, hauchte Brawne Lamia.
    Es war, als hätten sie den letzten Hügel der Schöpfung erklommen. Unter ihnen bildete eine Ansammlung von Docks, Kais und Schuppen den Stadtrand von Edge, wo das Grasmeer anfing. Gras erstreckte sich endlos in alle Richtungen, wiegte sich sinnlich in der leichten Brise und schien wie eine grüne Brandung gegen den Fuß der Klippen zu wogen. Das Gras
wirkte endlos, es erstreckte sich bis zum Horizont und schien, so weit das Auge reichte, überall dieselbe Höhe zu haben. Von den schneebedeckten Gipfeln des Bridle Range, das, wie sie wussten, achthundert Kilometer nordöstlich lag, war nicht die geringste Spur zu sehen. Die Illusion, dass sie auf ein gewaltiges grünes Meer sahen, war fast perfekt, bis hin zum windgepeitschten Schimmern von Stängeln, das wie Gischtkronen fern vom Ufer aussah.
    »Wunderschön«, sagte Lamia, die es noch nie gesehen hatte.
    »Bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang ist es atemberaubend« , sagte der Konsul.
    »Faszinierend«, murmelte Sol Weintraub und hob sine Tochter hoch, damit sie es auch sehen konnte. Sie kicherte glücklich und konzentrierte sich darauf, ihre Finger zu betrachten.
    »Ein hervorragend erhaltenes Ökosystem«, sagte Het Masteen bewundernd. »Der Muir wäre zufrieden.«
    »Scheiße«, sagte Martin Silenus.
    Die anderen drehten sich zu ihm um.
    »Kein Windwagen da, verdammt«, sagte der Dichter.
    Die vier anderen Männer, die Frau und der Androide blickten stumm auf die verlassenen Kais und die weite Grasebene.
    »Er hat Verspätung«, sagte der Konsul.
    Martin Silenus lachte bellend. »Oder er ist schon aufgebrochen. Wir sollten bereits gestern Abend hier sein.«
    Oberst Kassad hob sein Verstärkerfernglas und suchte den Horizont ab. »Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie ohne uns

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