Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
haben die Kamera an der Decke gefunden. Weniger als ein Millimeter Durchmesser. Sira hatte eine ganze Bibliothek solcher Disks. Die Kamera war offenbar nur da, um … äh …«
    »Die Schlafzimmerfreuden festzuhalten«, sagte ich.

    »Genau.«
    Ich stand auf und näherte mich dem schwebenden Abbild der Kreatur. Meine Hand glitt durch Stirn, Stachel, Kiefer. Der Computer hatte die Größe berechnet und entsprechend wiedergegeben. Der Größe des Kopfes nach zu urteilen, musste unser hiesiger Grendel über drei Meter groß sein. »Shrike«, murmelte ich – mehr ein Gruß als eine Identifizierung.
    »Was können Sie mir darüber sagen, Martin?«
    »Warum fragen Sie mich das?«, fauchte ich. »Ich bin Dichter, kein Mythohistoriker.«
    »Sie haben sich mit einer Anfrage nach Natur und Herkunft des Shrike an den Schiffscomputer gewandt.«
    Ich zog die Brauen hoch. Computeranfragen sollten so privat und anonym sein wie Anfragen an die Datensphäre in der Hegemonie. »Na und?«, sagte ich. »Hunderte müssen die Shrikelegende abgefragt haben, seit die Morde begannen. Vielleicht Tausende. Es ist die einzige verdammte Monsterlegende, die wir haben .«
    König Billy bewegte seine Wülste und Falten auf und ab. »Ja«, sagte er, »aber Sie haben die Anfrage drei Monate vor dem ersten Verschwinden eingegeben.«
    Ich seufzte und sank in die Kissen der Holonische. »Na gut«, sagte ich. »So ist es. Na und? Ich wollte die Scheißlegende in das Scheißgedicht einarbeiten, das ich schreibe, daher habe ich sie recherchiert. Nehmen Sie mich deswegen fest.«
    »Was haben Sie erfahren?«
    Ich war jetzt sehr wütend. Ich stampfte mit den Satyrhufen auf den weichen Teppich. »Nur das, was im verdammten Archiv ist«, erwiderte ich heftig. »Verdammt, was wollen Sie von mir, Billy?«
    Der König rieb sich die Stirn und zuckte zusammen, als er sich aus Versehen den kleinen Finger ins Auge bohrte. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Die Sicherheitsleute wollten Sie ins
Schiff bringen und ans Verhörinterface anschließen. Ich habe stattdessen beschlossen, mit Ihnen zu reden.«
    Ich blinzelte und spürte ein merkwürdiges Null-ge-Gefühl im Magen. Verhörinterface bedeutete Cortikalstecker und Buchsen im Schädel. Die meisten Menschen, die so verhört werden, erholen sich nie wieder richtig. Die meisten.
    »Können Sie mir sagen, welchen Aspekt der Shrike-Legende Sie in Ihrem Gedicht verwenden wollten?«, fragte König Billy leise.
    »Klar doch«, sagte ich. »Laut Evangelium des Shrike-Kults, den die Eingeborenen ins Leben gerufen haben, ist das Shrike der Herr der Schmerzen und der Engel der Letzten Buße, der von einem Ort jenseits der Zeit gekommen ist, um das Ende der menschlichen Spezies zu verkünden. Dieses Konzept hat mir gefallen.«
    »Das Ende der menschlichen Spezies«, wiederholte König Billy.
    »Ja. Es ist der Erzengel Michael und Moroni und Satan und die Maskierte Entropie und Frankensteins Monster, alles in ein Bündel gedreht«, sagte ich. »Es hängt bei den Zeitgräbern herum und wartet nur darauf, die Hölle loszulassen, wenn die Zeit der Menschen gekommen ist, sich zum Dodo und dem Gorilla und dem Pottwal in der Hitparade der Ausgestorbenen zu gesellen.«
    »Frankensteins Monster«, sinnierte der kleine, dicke Mann mit dem zerknitterten Umhang. »Warum das?«
    Ich holte tief Luft. »Weil der Shrike-Kult der Meinung ist, dass die Menschheit dieses Ding irgendwie geschaffen hat«, sagte ich, obwohl mir klar war, dass König Billy so viel wie ich wusste, wahrscheinlich mehr.
    »Wissen Sie, wie man es tötet ?«, fragte er.
    »Töten? Es soll angeblich unsterblich sein, außerhalb der Zeit.«

    »Ein Gott?«
    Ich zögerte. »Eigentlich nicht«, sagte ich schließlich. »Eher einer der schlimmsten zum Leben erwachten Alpträume des Universums. So ähnlich wie der Sensenmann, aber mit der Angewohnheit, Seelen auf einen riesigen Dornenbaum aufzuspießen – solange die Seelen der Menschen noch in den Körpern sind.«
    König Billy nickte.
    »Hören Sie«, sagte ich, »wenn Sie schon darauf bestehen, Haarspaltereien mit Hinterwelttheologien zu treiben – warum fliegen Sie dann nicht nach Jacktown und fragen ein paar Priester des Kults?«
    »Ja«, sagte der König, stützte das Kinn auf die pummelige Faust und war eindeutig abgelenkt, »sie sind schon im Saatschiff und werden verhört. Es ist alles sehr verwirrend.«
    Ich stand auf, um zu gehen, war aber nicht sicher, ob es mir gestattet werden

Weitere Kostenlose Bücher