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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Klippe angelegt,
die Hauptsegel eingeholt hatte und zum Stillstand gerollt war.
    Der Konsul war beeindruckt. Das Ding war aus Holz, handgearbeitet und riesig – in den prallen Linien einer seefahrenden Galeone aus der Frühgeschichte der Alten Erde geschnitzt. Das einzelne gigantische Rad, das sich in der Mitte der gekrümmten Hülle befand, wäre in dem zwei Meter hohen Gras normalerweise gar nicht zu sehen gewesen, aber der Konsul konnte einen Blick auf die Unterseite erhaschen, als er sein Gepäck auf den Kai trug. Vom Boden waren es sechs oder sieben Meter bis zur Reling und mehr als fünfmal so viel bis zur Spitze des Hauptmasts. Der Konsul, der vor Anstrengung keuchte, konnte weit oben das Knattern von Wimpeln hören sowie ein konstantes Summen, beinahe im Ultraschallbereich, das entweder vom inneren Schwungrad des Schiffes oder seinen gewaltigen Kreiseln stammen musste.
    Eine Planke wurde aus der oberen Hülle ausgefahren und erstreckte sich bis zum Kai. Pater Hoyt und Brawne Lamia mussten hastig zurückweichen, sonst wären sie zerquetscht worden.
    Der Windwagen war noch schlechter beleuchtet als die Benares ; die ganze Beleuchtung schien aus einigen Laternen zu bestehen, die von Pfosten hingen. Als das Schiff angelegt hatte, war keine Mannschaft zu sehen gewesen, und jetzt ließ sich auch keine blicken.
    »Hallo!«, rief der Konsul vom Ansatz der Planke. Niemand antwortete.
    »Einen Augenblick, bitte«, sagte Kassad und erklomm die steile Rampe mit fünf Schritten.
    Die anderen sahen zu, wie Kassad oben stehenblieb, sich an den Gürtel griff, wo er den kleinen Todesstrahler stecken hatte, und dann mittschiffs verschwand. Mehrere Minuten später flammte Licht hinter den breiten Fenstern am Heck
auf und warf rautenförmige gelbe Flecken auf das Gras darunter.
    »Kommen Sie herauf!«, rief Kassad von oben. »Das Schiff ist verlassen.«
    Die Gruppe mühte sich mit dem Gepäck ab, jeder musste mehrmals gehen. Der Konsul half Het Masteen mit der schweren Möbiustruhe und konnte eine leichte, aber intensive Vibration durch die Fingerspitzen spüren.
    »Und wo steckt die Scheißmannschaft?«, fragte Silenus, als sie sich auf dem Vorderdeck versammelt hatten. Sie hatten eine gemeinsame Exkursion durch die engen Flure und Kabinen hinter sich, über Treppen, die mehr Leitern als Treppen waren, und durch Kajüten, die kaum größer waren als die darin befindlichen Einbauschränke. Lediglich die hinterste Kabine  – die Kabine des Kapitäns, falls es sich darum handelte – bot Größe und Komfort der Standardunterkünfte auf der Benares.
    »Eindeutig vollautomatisch«, sagte Kassad. Der FORCE-Offizier deutete auf Fallstricke, die in Schlitzen im Deck verschwanden, fast unsichtbare Manipulatoren zwischen Takelage und Spieren und die Andeutung von Zahnrädern auf halber Höhe des Heckmasts mit dem Lateinersegel.
    »Aber ich habe kein Kontrollzentrum gesehen«, sagte Lamia. »Nicht einmal ein Diskey oder einen C-Punkt-Nexus.« Sie holte ihr Komlog aus der Brusttasche und versuchte, sich in Standarddaten-, Komm- und Biomedfrequenzen einzuklinken. Keine Reaktion vom Schiff.
    »Die Schiffe hatten sonst immer eine Besatzung«, sagte der Konsul. »Geweihte des Tempels haben die Pilger bis zu den Bergen begleitet.«
    »Nun, jetzt ist niemand hier«, sagte Hoyt. »Aber ich schätze, wir können davon ausgehen, dass irgendjemand noch in der Station oder im Chronos Keep am Leben ist. Sie haben uns den Wagen ja geschickt.«

    »Oder alle sind tot und der Windwagen läuft auf einem automatischen Kurs«, sagte Lamia. Sie sah über die Schultern, als Takelage und Segel in einer plötzlichen Windbö ächzten. »Verdammt, es ist unheimlich, derart von allem und jedem abgeschnitten zu sein. Als wäre man blind und taub. Ich weiß nicht, wie Kolonisten das aushalten.«
    Martin Silenus kam zu der Gruppe geschlendert und setzte sich auf die Reling. Er trank aus einer langen, grünen Flasche und sagte:
    »Wo ist der Dichter? Zeig ihn! Nenne,
Muse mein, dass ich ihn kenne!
Er ist jedem Manne gleich,
Ob Herrscher über Königreiche
Ob ärmster armer Bettlersmann,
Oder alles Wundergleiche,
Was der Mensch nur werden kann.
Er, der Mann, der nie vergeht,
Findet mit des Adlus Schwingen
Zu sich selbst, und er versteht
Das Löwenbrüllen und kann sagen
Was die rauhe Kehle spricht.
Für ihn ist des Tigers Klagen
Wohlverständlich und besticht
Sein Gehör wie Muttersprache.«
    »Wo haben Sie die Weinflasche her?«, fragte

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