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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sagt, das wäre eine allgemeine Reaktion nach dem Erwachen aus der Fuge. Meine Zellen spüren die Müdigkeit dieser vergangenen Monate der Reise, auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann. Ich glaube nicht, dass ich mich nach Reisen je so müde gefühlt habe, als ich noch jünger war.)
    Es tut mir leid, dass ich den jungen Hoyt nicht besser kennenlernen konnte. Er scheint ein anständiger Mensch zu sein, Katechismus auswendig parat und strahlende Augen. Es ist nicht die Schuld von jungen Männern wie ihm, dass die letzten Tage der Kirche angebrochen sind. Es ist eben so, dass die glückliche Naivität, die ihn und seinesgleichen auszeichnet, nicht verhindern wird, dass die Kirche dem Vergessen anheimfällt.
    Nun, mein Beitrag hat auch nichts bewirkt.
    Brillanter Ausblick auf meine neue Welt, als uns das Landungsboot hinunterbringt. Ich konnte zwei der drei Kontinente erkennen – Equus und Aquila. Der dritte, Ursa, war nicht zu sehen.
    Landung in Keats und stundenlange Anstrengungen, um die Zollformalitäten hinter mich zu bringen und Bodentransit in die Stadt zu bekommen. Wirre Eindrücke: die Bergkette im Norden mit ihrem wabernden blauen Dunst, das Vorgebirge mit orangeroten und gelben Bäumen, der blasse Himmel mit blau-grüner Grundfärbung, die Sonne kleiner, aber leuchtender als die von Pacem. Aus der Ferne wirken die Farben lebhafter, lösen sich aber auf und verblassen, wenn man näherkommt, wie das Werk eines Pointillisten. Die große Skulptur
des Traurigen Königs Billy, von der ich so viel gehört habe, war eine Enttäuschung. Von der Straße aus gesehen, wirkte sie derb und unfertig, mehr ein aus dem dunklen Berggestein gemeißelter hastiger Entwurf als die echte Statue, die ich erwartet hatte. Aber sie brütet über dieser geflickschusterten Stadt mit ihrer halben Million Einwohner auf eine Weise, die dem neurotischen Dichterkönig wahrscheinlich gefallen haben würde.
    Die Stadt selbst scheint in das ausgedehnte Labyrinth von Elendsvierteln und Saloons, das die Einheimischen Jacktown nennen, und Keats selbst unterteilt zu sein, die sogenannte Altstadt, obwohl sie nur vierhundert Jahre zurückreicht und ganz polierter Stein und gewollte Sterilität ist. Ich werde bald an der Stadtrundfahrt teilnehmen.
    Ich hatte einen Monat Aufenthalt in Keats eingeplant, brenne aber schon auf die Weiterreise. O Monsignore Edouard, wenn du mich jetzt sehen könntest! Bestraft, aber immer noch ohne Reue. Einsamer denn je, aber seltsam zufrieden mit meinem neuen Exil. Wenn meine Strafe für frühere, von meinem Glaubenseifer ausgelöste Exzesse die Verbannung in den siebten Kreis der Einsamkeit ist, so wurde Hyperion gut gewählt. Ich könnte meine mir selbst auferlegte Reise zu den fernen Bikura (Existieren sie? Heute Abend glaube ich es nicht) vergessen und mich damit zufriedengeben, in dieser Provinzhauptstadt der gottverlassenen Hinterwelt meine restlichen Jahre zu verbringen. Mein Exil könnte nicht vollkommener sein.
    Mein Edouard, gemeinsam Knaben, gemeinsam Studienkollegen (wenn ich selbst auch niemals so brillant wie du oder so orthodox wie du gewesen bin) – und jetzt gemeinsam alte Männer. Doch du bist nun vier Jahre klüger, ich dagegen immer noch der schalkhafte, trotzige Knabe, dessen du eingedenk bist. Ich bete, dass du noch am Leben und bei bester Gesundheit bist und für mich betest.

    Müde. Werde schlafen. Morgen mache ich die Rundfahrt durch Keats, esse gut und vereinbare Transport nach Aquila und südlichen Gefilden.
     
    TAG 5:
    Es gibt eine Kathedrale in Keats. Besser gesagt, es gab eine. Sie steht seit mindestens zwei Standardjahrhunderten leer. Eine Ruine, das Schiff offen unter dem blaugrünen Himmel, einer der Westtürme unvollendet, der andere ein Skelett verfallender Steinfassaden und rostiger Streben.
    Ich bin darüber gestolpert, als ich, verirrt, in einem wenig bevölkerten Teil der Stadt am Ufer des Hoolie spazierenging, wo die Altstadt in einem Irrgarten großer Lagerhallen in Jacktown übergeht, die den Blick auf die Turmruinen versperren, bis man in eine schmale Sackgasse einbiegt und dort das Kirchenschiff erkennen kann: Das Domkapitel ist halb in den Fluss gestürzt, die Fassade wie von Pockennarben mit den düsteren, apokalyptischen Bildhauerarbeiten der expansionistischen Post-Hegira-Periode überzogen.
    Ich wanderte durch das Gitter aus Schatten und umgestürzten Steinen ins Kirchenschiff hinein. Die Diözese auf Pacem hatte keine Geschichte des Katholizismus auf Hyperion

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