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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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dem
kleinen Bullauge. Es war von innen verschlossen und verriegelt.
    Lenar Hoyt sah noch elender als sonst aus. Er wankte zu einem Stuhl. »Also ist er tot?«
    »Wir wissen überhaupt nichts, nur dass Kapitän Masteen nicht in seiner Kabine ist, dafür aber jede Menge Blut«, sagte Lamia. Sie wischte sich die Hand am Hosenboden ab. »Jetzt müssen wir das Schiff gründlich durchsuchen.«
    »Ganz genau«, sagte Oberst Kassad. »Und wenn wir den Kapitän nicht finden?«
    Brawne Lamia machte das Bullauge auf. Frische Luft vertrieb den Schlachthausgeruch des Blutes. Sie hörten das Rumpeln des Rads und das Rascheln des Grases unter der Hülle.
    »Wenn wir Kapitän Masteen nicht finden«, sagte Lamia, »nehmen wir an, dass er das Schiff entweder aus freien Stücken verlassen hat oder geholt wurde.«
    »Aber das Blut  …«, begann Pater Hoyt.
    »Beweist nichts«, sagte Kassad. »M. Lamia hat recht. Wir kennen weder Masteens Blutgruppe noch Genotyp. Hat jemand etwas gesehen oder gehört?«
    Schweigen, abgesehen von verneinendem Grunzen und Kopfschütteln.
    Martin Silenus sah sich um. »Erkennt ihr denn das Wirken unseres Freundes, des Shrike, nicht, wenn ihr es seht?«
    »Das wissen wir nicht«, fauchte Lamia. »Vielleicht wollte jemand, dass wir denken, das Shrike wäre dafür verantwortlich.«
    »Das wäre unsinnig«, sagte Hoyt, der immer noch nach Luft schnappte.
    »Dennoch«, sagte Lamia, »suchen wir in Zweiergruppen. Wer außer mir hat Waffen?«
    »Ich«, sagte Oberst Kassad. »Ich habe zusätzliche, falls erforderlich.«
    »Nein«, sagte Hoyt.

    Der Dichter schüttelte den Kopf.
    Sol Weintraub war mit dem Kind auf den Flur hinausgegangen. Jetzt sah er wieder herein. »Ich habe keine«, sagte er.
    »Nein«, sagte der Konsul. Er hatte Kassad den Todesstrahler am Ende seiner Schicht, zwei Stunden vor Tagesanbruch, zurückgegeben.
    »Na gut«, sagte Lamia. »Der Priester kommt mit mir ins Unterdeck. Silenus, gehen Sie mit dem Oberst. Durchsuchen Sie das Mitteldeck. M. Weintraub, Sie und der Konsul überprüfen oben alles. Halten Sie nach allem Ungewöhnlichen Ausschau! Nach Spuren eines Kampfes.«
    »Eine Frage«, sagte Silenus.
    »Ja?«
    »Wer, verdammt noch mal, hat Sie eigentlich zur Ballkönigin gewählt?«
    »Ich bin Privatdetektivin«, sagte Lamia und blickte dem Dichter in die Augen.
    Martin Silenus zuckte mit den Achseln. »Hoyt hier ist Priester einer vergessenen Religion – das bedeutet aber nicht, dass wir uns bekreuzigen müssen, wenn er die Messe liest.«
    »Na gut«, seufzte Brawne Lamia. »Dann gebe ich Ihnen einen besseren Grund.« Die Frau bewegte sich so schnell, dass der Konsul es durch ein Blinzeln kaum mitbekam. Eben stand sie noch neben dem offenen Bullauge – und im nächsten Augenblick hatte sie die Kabine halb durchquert und Martin Silenus mit einem Arm vom Boden hochgehoben, indem sie ihm ihre gewaltige Pranke um den dünnen Hals legte. »Wie wäre es damit«, sagte sie, »dass Sie das Logische tun, weil es eben logisch ist?«
    »Gkkrgghh«, brachte Martin Silenus heraus.
    »Gut«, sagte Lamia emotionslos und ließ den Dichter aufs Deck fallen. Silenus stolperte einen Meter zurück und hätte sich um ein Haar auf Pater Hoyt gesetzt.

    »Hier«, sagte Kassad, der mit zwei kleinen Nervenschockern zurückkam. Einen gab er Sol Weintraub. »Was haben Sie?«, wandte sich Kassad an Lamia.
    Die Frau griff in eine Tasche ihres Gewands und holte eine uralte Pistole heraus.
    Kassad betrachtete das Relikt einen Moment lang, dann nickte er. »Bleiben Sie bei Ihrem Partner«, sagte er. »Schießen Sie auf nichts, wenn es nicht eindeutig identifiziert und ohne jeden Zweifel bedrohlich ist.«
    »Das trifft auf ein Flittchen zu, das ich gern erschießen würde« , sagte Silenus, der sich noch den Hals massierte.
    Brawne Lamia ging einen halben Schritt auf den Dichter zu. Fedmahn Kassad sagte: »Schluss jetzt! Bringen wir es hinter uns.« Silenus folgte dem Oberst aus der Kabine.
    Sol Weintraub ging zum Konsul und gab ihm den Schocker. »Ich will dieses Ding nicht haben, solange ich Rachel trage. Sollen wir raufgehen?«
    Der Konsul nahm die Waffe und nickte.
     
    Auf dem Windwagen fanden sie keine Spur mehr von dem Tempelritter und der Wahren Stimme des Baums Het Masteen. Nach einer einstündigen Suche traf sich die Gruppe wieder in der Kabine des Vermissten. Dort schien das Blut nun dunkler und trockener zu sein.
    »Besteht die Möglichkeit, dass wir etwas übersehen haben?«, sagte Pater Hoyt.

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