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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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mich auf den Besuch des Verwalters vorzubereiten. Ich hatte erwartet, dass er einer dieser großen, griesgrämigen Typen sein würde, wie ich sie vor dem Fenster auf dem Sortiergelände gesehen habe, aber er war ein stiller, dunkler Mann mit einem leichten Lispeln. Er war mehr als hilfreich. Ich hatte mir Sorgen über die Bezahlung der Kosten meiner medizinischen Behandlung gemacht, aber er versicherte mir, dass keine Kosten geltend gemacht werden würden. Noch besser – er wird mir einen Mann zuteilen, der mich ins Hochland führt! Er sagt, es wäre schon spät, aber wenn ich in zehn Tagen reisen kann, könnten wir es durch den Flammenwald zur Kluft schaffen, bevor die Teslabäume voll aktiv werden.
    Nachdem er fort war, saß ich eine Weile bei Semfa und unterhielt mich mit ihr. Ihr Mann ist vor drei lokalen Monaten bei einem Ernteunfall gestorben. Semfa selbst kam aus Port Romance; ihre Heirat mit Mikel war eine Erlösung für sie, daher
hat sie beschlossen, hier zu bleiben und Gelegenheitsarbeiten zu erledigen, statt zurückzukehren. Ich kann es ihr nicht verdenken.
    Nach einer Massage werde ich schlafen. In letzter Zeit viele Träume von meiner Mutter.
    Zehn Tage. Ich werde in zehn Tagen bereit sein.
     
    TAG 75:
    Bevor ich mit Tuk aufgebrochen bin, war ich unten bei den Matrixpaddies, um Semfa Lebewohl zu sagen. Sie sagte wenig, aber ich sah in ihren Augen, dass sie traurig war, mich gehen zu lassen. Ich segnete sie ohne Vorbedacht und küsste sie danach auf die Stirn. Tuk stand in der Nähe, lächelte und nickte. Dann brachen wir auf und führten die beiden Packbrids. Aufseher Orlandi kam bis zum Ende der Straße mit und winkte, als wir den schmalen, ins üppige Blattwerk gehauenen Pfad betraten.
    Domine, dirige nos.
     
    TAG 82:
    Nach einer Woche auf dem Pfad – welchem Pfad? –, nach einer Woche in dem unwegsamen gelben Regenwald, nach einer Woche anstrengenden Kletterns auf dem zunehmend steileren Hang des Pinion-Plateaus, erreichten wir heute Morgen einen überhängenden Fels, von wo wir Ausblick über den Dschungel zum Schnabel und dem mittleren Meer hatten. Das Plateau ist hier fast dreitausend Meter über dem Meeresspiegel, und der Ausblick war beeindruckend. Dichte Regenwolken breiteten sich unter uns bis zum Fuß der Pinion Hills aus, aber durch Lücken in dem grauweißen Wolkenteppich konnten wir Blicke auf den Kans erhaschen, der sich behäbig nach Port R. und zum Meer wälzt, ebenso chromgelbe Flecken des Dschungels, durch den wir uns gequält hatten, und
weit im Osten konnten wir eine Andeutung von Magentarot erkennen. Tuk behauptete, dass es sich dabei um die untere Matrix von Fiberplastikfeldern in der Nähe von Perecebo handelt.
    Wir plagten uns bis spät in den Abend weiter bergauf voran. Tuk macht sich offenbar Sorgen, wir könnten in den Flammenwäldern steckenbleiben, wenn die Teslabäume aktiv werden. Ich bemühe mich, mit ihm Schritt zu halten, ziehe das schwerbepackte Brid und spreche stumme Gebete, um mein Denken von den Schmerzen, Qualen und den allgemeinen Unbilden abzulenken.
     
    TAG 83:
    Haben vor Tagesanbruch gesattelt und beladen und sind weitergezogen. Die Luft riecht nach Rauch und Asche.
    Die Veränderung der Vegetation hier oben auf dem Plateau ist verblüffend. Von dem allgegenwärtigen Wehrholz und den Chalma mit ihren fleischigen Blättern ist keine Spur mehr zu sehen. Nachdem wir durch eine Zone mit kleinem Immergrün und Immerblau gekommen sind – und nach einem weiteren Aufstieg durch dichte Haine mutierter Murrayskiefern und Triaspen – gelangten wir ins Gebiet des Flammenwalds mit seinen Inseln aus Prometheusbäumen, Ausläufern der unvermeidlichen Phoenixstauden und rundlichen Gruppen bernsteinfarbener Flammenzüngler. Gelegentlich stießen wir auf undurchdringliche Dickichte der weißen, faserigen, gabelförmigen Asbestpflanzen, deren Aussehen Tuk bildgewaltig mit »wie de verwesenden Pimmel von ollen Riesen, die da begram sind, dat steht fest« beschrieb. Mein Führer kann mit Worten umgehen.
    Es wurde Spätnachmittag, bis wir unseren ersten Teslabaum sahen. Eine halbe Stunde schleppten wir uns über aschebedeckten Waldboden und bemühten uns, nicht auf die zarten
Schößlinge von Phoenixstauden und Feuerwippen zu treten, die zaghaft aus dem rußigen Boden sprossen, als Tuk stehenblieb und deutete.
    Der Teslabaum, der immer noch einen halben Kilometer entfernt stand, war mindestens hundert Meter hoch, fast doppelt so hoch wie der höchste Prometheus. Nahe

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