Die Hyperion-Gesänge
vertikalen Sturzflut werden, einem Wasserfall, den das Schiff erklimmen muss, wenn wir vorankommen wollen.
Die Girandole ist ein uralter Schleppkahn mit flachem Boden und fünf Barken, die ringsum vertäut sind wie zerlumpte Kinder, die am Rockzipfel ihrer erschöpften Mutter hängen. Drei der zweistöckigen Barken transportieren Ballen von Waren, die in den wenigen Plantagen und Siedlungen entlang des Flusses getauscht oder verkauft werden sollen. Die beiden anderen bieten ein Simulacrum von Unterkünften für die Eingeborenen,
die flussaufwärts reisen, obgleich ich vermute, dass einige Passagiere auf den Barken permanent wohnen. Meine Koje hat eine fleckige Matratze auf dem Boden und eidechsenähnliche Insekten an den Wänden.
Nach den Regenfällen versammeln sich alle auf den Decks und sehen zu, wie die Abendnebel aus dem sich abkühlenden Fluss emporsteigen. Die Luft ist sehr heiß und den größten Teil des Tages mit Feuchtigkeit übersättigt. Der alte Kady sagt, dass ich zu spät gekommen sei, um den Aufstieg durch den Regen und die Flammenwälder noch zu schaffen, bevor die Teslabäume aktiv werden. Man wird sehen.
Heute steigt der Nebel auf wie die Seelen aller Toten, die unter der dunklen Oberfläche des Flusses schlafen. Die letzten zerfetzten Überreste der nachmittäglichen Wolkendecke verdunsten durch die Baumwipfel, die Farbe kehrt in die Welt zurück. Ich sehe zu, wie der dichte Wald seine Färbung von Chromgelb zu einem durchscheinenden Safran wandelt und dann allmählich über Ocker und Umbra zu Düsternis verblasst. An Bord der Girandole zündet der alte Kady die Laternen und Kerzen an, die vom zweiten Deck hängen, und wie um sich nicht ausstechen zu lassen, leuchtet darauf auch der Dschungel mit der schwachen Phosphoreszenz des Verfalls, während Glühvögel und bunte Sommerfäden in den dunkleren höheren Regionen zu sehen sind, wo sie von Ast zu Ast schweben.
Hyperions kleiner Mond ist heute Nacht nicht zu sehen, aber diese Welt bewegt sich durch mehr Trümmer, als bei einem Planeten so dicht an seiner Sonne üblich ist, daher wird der Nachthimmel von gelegentlichen Meteorschauern erhellt. Heute ist der Himmel besonders fruchtbar: Wenn wir breite Abschnitte des Flusslaufs passieren, können wir ein Netzwerk gleißender Meteorbahnen sehen, das die Sterne zusammenwebt. Nach einer Weile brennen sich diese Bilder in die Netzhaut
ein, und ich schaue zum Fluss hinunter und erkenne dort das optische Echo im dunklen Wasser.
Am östlichen Horizont ist ein helles Leuchten zu erkennen, und der alte Kady sagt mir, dass es von den Orbitalspiegeln stammt, die einige der größeren Plantagen mit Licht versorgen.
Es ist zu warm, um in meine Kabine zurückzukehren. Ich breite meine dünne Matratze auf dem Dach meiner Barke aus und verfolge die himmlische Lichterschau, während Gruppen von Eingeborenenfamilien wehmütige Lieder in einem Dialekt singen, den ich noch nicht einmal zu lernen versucht habe. Ich denke an die Bikura, die immer noch weit von hier entfernt sind, und eine seltsame Ängstlichkeit überkommt mich.
Irgendwo im Wald schreit ein Tier mit der Stimme einer furchtsamen Frau.
TAG 60:
Ankunft Perecebo-Plantage. Krank.
TAG 62:
Sehr krank. Fieber, Anfälle von Schüttelfrost. Den ganzen gestrigen Tag habe ich schwarze Galle erbrochen. Der Regen ist ohrenbetäubend. Nachts werden die Wolken von oben von Orbitalspiegeln beleuchtet. Der Himmel scheint in Flammen zu stehen. Mein Fieber ist sehr hoch.
Eine Frau kümmert sich um mich. Badet mich. Zu krank, mich zu schämen. Ihr Haar ist dunkler als das der meisten Eingeborenen. Sie sagt wenig. Dunkle, sanfte Augen.
O Gott, so fern der Heimat krank zu sein.
TAG
sie wartet spioniert kommt vom Regenrein das dünne Hemd
absichtlich, mich in Versuchung zu führen, weißwas ich bin meine Haut brennt steht in Flammen dünne Baumwolle dunkle Brustwarzen darunter ich weißwer sie sind sie beobachten, höre hier ihre Stimmen des nachts sie baden mich in Gift verbrennt mich sie denken ich weiß es nicht aber ich höre ihre stimmen über den regen hinwegwenn das schreien aufhört aufhören aufhören. Meine Haut ist fast weg rot darunter kann das loch in meiner wange spüren wenn ich die kugel finde spucke ich sie aus sie aus agnusdeiquitolispecattamundi miserer nobis misere nobis miserere
TAG 65:
Danke, o Herr, dass Du mich von der Krankheit erlöst hast!
TAG 66:
Heute rasiert. Konnte zur Dusche gehen.
Semfa hat mir geholfen,
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