Die Hyperion-Gesänge
Blutergüsse.
»Es muss mehr wert sein«, sagte ich.
Der Arzt sah mit einem nachdenklichen Lächeln von seiner grimmigen Arbeit auf. »Tatsächlich?«, sagte er. »Bitte zeigen Sie es mir.« Er hob das Herz des Mannes mit einer Hand und schien es zu wiegen. »In den Netz-Welten wäre dies auf dem freien Markt einiges an Geld wert. Es gibt Menschen, die zu arm sind, als dass sie sich gezüchtete, geklonte Teile auf Vorrat leisten könnten, die aber zu wohlhabend sind, einfach mangels eines Herzens zu sterben. Aber hier draußen ist es bloß Abfall.«
»Es muss mehr geben«, sagte ich, obwohl ich wenig Überzeugung empfand. Ich erinnerte mich an das Begräbnis Seiner Heiligkeit Papst Urbans XV. kurz vor meiner Abreise von Pacem. Wie es seit Prä-Hegira-Zeiten Sitte ist, wurde der Leichnam nicht einbalsamiert. Er wartete in einem Nebenraum der Basilika darauf, in den schlichten Holzsarg gebettet zu werden. Als ich Edouard und Monsignore Frey half, dem steifen Leichnam das Ornat anzulegen, fielen mir die braungefärbte Haut und der schlaffe Mund auf.
Der Arzt zuckte mit den Achseln und beendete die oberflächliche Autopsie. Die offiziellen Ermittlungen waren kurz. Kein Verdächtiger wurde gefunden, kein Motiv genannt. Eine Beschreibung des Ermordeten wurde nach Keats geschickt, aber der Mann selbst wurde am nächsten Tag auf dem Armenfriedhof
zwischen den Schlammebenen und dem gelben Dschungel beigesetzt.
Port Romance ist ein Wirrwarr aus gelben Wehrholzbauwerken auf einem Labyrinth von Gerüsten und Planken, die sich bis weit über die verschlammten Gezeitenbecken an der Mündung des Kans erstrecken. Hier, wo er sich in die Bucht von Toschahai ergießt, ist der Fluss fast zwei Kilometer breit, aber nur wenige Kanäle sind passierbar und das Baggern dauert Tag und Nacht an. Ich liege jede Nacht in meinem billigen Zimmer wach und lausche dem Klopfen des Baggerhammers, das sich anhört wie der Herzschlag dieser abscheulichen Stadt, deren feuchter Atem das ferne Säuseln der Brandung ist. Heute Abend höre ich den Atem der Stadt und kann nicht anders, als ihr das abgehäutete Gesicht des ermordeten Mannes zu verleihen.
Die Firmen unterhalten einen Gleiterhafen am Stadtrand, von wo Arbeiter und Material zu den größeren Plantagen im Landesinneren geschafft werden, aber ich habe nicht genug Geld, mir durch Bestechung einen Weg an Bord erkaufen zu können. Besser gesagt, ich selbst könnte schon an Bord, aber den Transport meiner drei Kisten medizinischer und wissenschaftlicher Ausrüstung kann ich mir nicht leisten. Dennoch bin ich versucht. Jetzt kommt mir meine Suche nach den Bikura absurder und irrationaler vor als jemals vorher. Nur mein seltsames Bedürfnis nach einem Ziel und eine gewisse masochistische Entschlossenheit, die Bedingungen meiner selbstauferlegten Verbannung zu erfüllen, treiben mich zur Fahrt flussaufwärts.
In zwei Tagen läuft ein Schiff den Kans hinauf aus. Ich habe eine Passage gebucht und werde morgen meine Kisten an Bord schaffen. Es wird mir nicht schwerfallen, Port Romance hinter mir zu lassen.
TAG 41:
Die Emporotic Girandole setzt ihre langsame Fahrt flussaufwärts fort. Keine Anzeichen von Besiedlung, seit wir Melton’s Landing vor zwei Tagen hinter uns gelassen haben. Der Dschungel drängt mittlerweile wie eine solide Wand an die Ufer, und wo der Fluss an manchen Stellen nur dreißig bis vierzig Meter breit ist, bildet er einen fast dichten Überhang. Das Licht selbst ist sattgelb wie flüssige Butter, da es von Laub und Farnen acht Meter über der braunen Oberfläche des Kans gefiltert wird. Ich sitze auf dem rostigen Blechdach der mittleren Passagierbarke und bemühe mich, einen ersten Blick auf einen Teslabaum zu erhaschen. Der alte Kady, der in der Nähe sitzt, hält mit seiner Schnitzerei inne, spuckt durch eine Zahnlücke über die Seite und lacht mir zu. »So weit unten sind keine Flammenbäume«, sagt er. »Wenn dem so wäre, würde der Wald mit tödlicher Sicherheit nicht so aussehen. Sie müssen zum Pinion hinaufgelangen, bevor Sie einen Tesla sehen. Wir haben den Regenwald noch nicht hinter uns, Padre.«
Es regnet jeden Nachmittag. Eigentlich ist Regen ein zu zahmer Ausdruck für die Sintflut, die jeden Tag über uns hereinbricht, das Ufer verhüllt, mit ohrenbetäubendem Lärm auf die Blechdächer der Barke prasselt und unsere Kriechfahrt stromaufwärts verlangsamt, bis es scheint, als würden wir stehen. Jeden Nachmittag ist es, als würde der Fluss zu einer
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