Die Hyperion-Gesänge
wie Reisebegleiter mit uns Schritt hielten, tropische Sonnenuntergänge, die den Abend mit Staunen erfüllten, der Baldachin der Sterne in der Nacht und unser eigenes Kielwasser mit seinen tausend phosphoreszierenden Strudeln, in denen sich die Konstellationen über uns spiegelten. Und dennoch erinnere ich mich fast nur an Siris Körper. Aus einem unerfindlichen Grund – Schüchternheit, die Jahre der Trennung – trug sie einen Bikini während der ersten
Tage unseres Aufenthalts im Archipel, daher waren ihre sanften runden Brüste und der Unterleib nicht so braungebrannt wie der Rest, als ich wieder aufbrechen musste.
Ich erinnere mich an sie bei diesem ersten Mal. Dreiecke im Mondschein, als wir im weichen Gras über Firstsite Harbor lagen. Ihr Seidenhöschen auf einem Geflecht aus Weidengras. Damals besaß sie die Schamhaftigkeit eines Kindes, das leichte Zögern, als würde etwas vorzeitig gegeben werden. Aber auch Stolz. Derselbe Stolz, der ihr später ermöglichte, sich dem wütenden Mob auf den Stufen des Hegemoniekonsulats in Süd-Tern entgegenzustellen und diesen beschämt nach Hause zu schicken.
Ich erinnere mich an meine fünfte Landung, unser Viertes Wiedersehen. Eine der wenigen Gelegenheiten, da ich sie jemals weinen sah. Mittlerweile war sie mit ihrem Ruhm und ihrer Weisheit fast königlich. Sie war viermal ins All-Wesen gewählt worden, und der Rat der Hegemonie wandte sich um Rat und Führung an sie. Sie trug ihre Unabhängigkeit wie einen königlichen Mantel, und ihr unbeugsamer Stolz hatte nie heller gebrannt. Aber als wir allein in der aus Stein erbauten Villa südlich von Fevarone waren, wandte sie sich ab. Ich war nervös und hatte etwas Angst vor dieser mächtigen Fremden, aber es war Siri – Siri mit dem aufrechten Rücken und den stolzen Augen, die das Gesicht zur Wand drehte und durch Tränen hindurch sagte: »Geh weg. Geh weg, Merin. Ich will nicht, dass du mich siehst. Ich bin eine Vettel, alt und schlaff. Geh weg !«
Ich gestehe, dass ich da grob mit ihr war. Ich hielt ihre Handgelenke mit der linken Hand fest – mit einer Kraft, die selbst mich überraschte – und zog ihr das Seidenkleid mit einer einzigen Bewegung herunter. Ich küsste ihre Schultern, ihren Hals, die verblassten Schatten von Geburtsstreifen auf ihrem straffen Bauch und die Narbe am Oberschenkel von dem Gleiterabsturz
vor vierzig Jahren ihrer Zeit. Ich küsste ihr graues Haar und die Falten der einst glatten Wangen. Ich küsste ihre Tränen.
»Herrgott, Mike, das kann unmöglich legal sein«, sagte ich, als mein Freund die Schwebematte aus seinem Rucksack aufrollte. Wir befanden uns auf Insel 241, wie die Händler der Hegemonie den abgelegenen vulkanischen Makel, den sie als Ort für unseren Landurlaub ausgewählt hatten, so romantisch nannten. Insel 241 war weniger als fünfzig Kilometer von der ältesten Kolonialsiedlung entfernt, aber es hätten ebenso gut fünfzig Lichtjahre sein können. Kein einheimisches Schiff durfte an der Insel anlegen, solange Besatzung oder Farcasterarbeiter der Los Angeles anwesend waren. Die Kolonisten auf Maui-Covenant verfügten noch über einige funktionierende uralte Gleiter, aber in gegenseitigem Einverständnis sollte es keine Flüge geben. Abgesehen von den Schlafsälen, dem Strand und dem Duty Free Shop gab es auf der Insel wenig, das uns Schiffsleute interessierte. Eines Tages, wenn die letzten Komponenten mit der Los Angeles ins System gebracht worden sind und sie den Farcaster in Betrieb genommen haben, würden die Beamten der Hegemonie aus Insel 241 ein Zentrum für Handel und Tourismus machen. Bis dahin war sie ein primitiver Ort mit einem Beibootlandeplatz, gerade fertiggestellten Bauwerken aus dem hiesigen weißen Stein und ein paar gelangweilten Angestellten. Mike trug uns beide für eine Rucksacktour auf den steilsten und unzugänglichsten Teil der Insel ein.
»Ich will nicht mit dem Rucksack wandern, um Himmels willen«, sagte ich. »Lieber würde ich auf der L.A. bleiben und mir Stimsims reinziehen.«
»Halt die Klappe und komm mit!«, sagte Mike, und ich hielt die Klappe und folgte ihm ganz wie ein jüngeres und daher
nicht so weises Mitglied des Pantheon. Zwei Stunden verbissenes Wandern brachten uns durch Gestrüpp mit scharfen Zweigen zu einem Lavasims mehrere hundert Meter über der tosenden Brandung. Wir befanden uns in Äquatornähe auf einer größtenteils tropischen Welt, aber auf diesem ungeschützten Sims heulte der Wind und ich klapperte mit
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