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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Wand, warf ihn über eine Kiste, drückte ihm ein Knie in den Bauch und einen Ellbogen an den Hals und zischte: »Noch ein Wort, Dichter, und ich bringe Sie um.«
    Silenus begann sich zu wehren, aber der Druck auf seine Luftröhre und der Blick des Konsuls veranlassten ihn, damit aufzuhören. Sein Gesicht war leichenblass.
    Oberst Kassad trennte die beiden leise, fast sanft. »Keine Bemerkungen mehr«, sagte er. Er berührte den Todesstrahler an seinem Gürtel.
    Martin Silenus, der sich den Hals rieb, ging zur anderen Seite des Halbkreises und lehnte sich wortlos an eine Kiste. Der Konsul ging zur Tür, holte mehrmals tief Luft und kam zu der Gruppe zurück. Er wandte sich an alle, außer dem Dichter. »Es tut mir leid. Es ist nur … Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich das einmal jemandem erzählen würde.«
    Das Licht draußen loderte rot und weiß auf, gefolgt von einem blauen Leuchten, das fast zur Dunkelheit verblasste.
    »Das verstehen wir«, sagte Brawne Lamia leise. »Wir haben alle so empfunden.«
    Der Konsul berührte seine Unterlippe, räusperte sich kräftig und setzte sich neben das uralte Komlog. »Die Aufzeichnung ist nicht so alt wie das Instrument«, sagte er. »Sie wurde vor etwa fünfzig Standardjahren gemacht. Wenn sie zu Ende ist, habe ich noch etwas hinzuzufügen.« Er machte eine Pause, als wäre noch mehr zu sagen, schüttelte dann den Kopf und drückte mit dem Daumen auf den vorsintflutlichen Diskey.
    Es gab keine Bildaufzeichnung. Die Stimme war die eines
jungen Mannes. Im Hintergrund konnte man eine Brise durch Gras oder weiche Zweige wehen hören und noch weiter entfernt das Rauschen einer Brandung.
    Draußen pulsierte das Licht wie irrsinnig; das Tempo der Raumschlacht nahm zu. Der Konsul verkrampfte sich, während er auf einen Einschlag, eine Explosion wartete. Es gab keine. Er schloss die Augen und lauschte mit den anderen.
    Die Geschichte des Konsuls: Erinnerungen an Siri
    Am Tag, als die Inseln in die seichten Gewässer des Äquatorialarchipels zurückkehren, erklimme ich den steilen Hügel zu Siris Grab. Der Tag ist perfekt, und ich hasse ihn, weil er so ist. Der Himmel ist so heiter wie in den Geschichten von den Meeren der Alten Erde, ultramarinfarbene Muster kennzeichnen scheckig die Untiefen, eine warme Brise weht vom Meer herein und bringt das rostbraune Weidengras auf dem Hügel um mich herum zum Wogen.
    Tiefe Wolken und graue Düsternis wären an diesem Tag besser gewesen. Besser Dunst oder ein leichentuchartiger Nebel, der die Masten in Firstsite Harbor zum Tropfen bringt und das Nebelhorn des Leuchtturms aus seinem Schlummer erweckt. Besser wäre gewesen, einer der gewaltigen Meeressamums würde aus dem kalten Wanst des Südens wehen und die schwimmenden Inseln samt ihren Delfinbegleitern vor sich hertreiben, bis diese im Windschatten unserer Atolle und Felsenklippen Zuflucht suchen.
    Alles wäre besser gewesen als dieser warme Frühlingstag, an dem die Sonne über ein Himmelszelt wandert, das so blau ist, dass ich laufen, große Luftsprünge machen und im weichen
Gras rollen möchte, wie Siri und ich es so oft hier an dieser Stelle getan haben.
    Ganz genau an dieser Stelle. Ich bleibe stehen und sehe mich um. Das Weidengras biegt sich und wogt wie das Fell eines großen Tiers, wenn der salzige Wind aus dem Süden weht. Ich beschirme die Augen und studiere den Horizont, aber dort regt sich nichts. Draußen hinter dem Lavariff brandet das Meer und tost in nervösen Zuckungen.
    »Siri«, flüstere ich. Ich spreche ihren Namen aus, ohne es zu wollen. Hundert Meter weiter unten am Hang hält die Menge inne und beobachtet mich. Die Prozession der Trauernden und Berühmtheiten erstreckt sich mehr als einen Kilometer bis zu den weißen Gebäuden der Stadt. Ich kann den Kopf meines jüngeren Sohns mit dem schütteren grauen Haar in der Vorhut erkennen. Er trägt die blaue und goldene Uniform der Hegemonie. Ich weiß, ich sollte auf ihn warten, an seiner Seite gehen, aber er und die anderen älteren Ratsmitglieder können nicht mit meinen jugendlichen, schiffstrainierten Muskeln und dem ausgreifenden Gang Schritt halten. Nichtsdestoweniger verlangt die Etikette, dass ich mit ihm und meiner Enkelin Lira und meinem neunjährigen Enkel gehen sollte.
    Zum Teufel damit! Und zum Teufel mit ihnen!
    Ich drehe mich um und laufe den steilen Hügel hinauf. Schweiß durchnässt mein weites Baumwollhemd, noch ehe ich den gewölbten Kamm des Hügels erreiche und das Grab erkennen

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