Die Hyperion-Gesänge
weil er sich mir im Wald als Erster genähert hatte, »wir haben deinem Begleiter mit scharfen Steinen die Kehle durchgeschnitten und haben ihn festgehalten und geknebelt, bis seine Gegenwehr aufhörte. Er ist den wahren Tod gestorben.«
»Warum?«, fragte ich nach einem Augenblick. Meine Stimme klang so trocken wie eine gedörrte Maisschote.
»Warum er den wahren Tod gestorben ist?«, sagte Alpha, der immer noch nicht aufsah. »Weil sein ganzes Blut ausgelaufen ist und er aufgehört hat zu atmen.«
»Nein«, sagte ich. »Warum habt ihr ihn ermordet?«
Alpha antwortete nicht, aber Betty – die möglicherweise weiblich und möglicherweise Alphas Lebensgefährtin ist – sah von ihrem Webstuhl auf und sagte einfach: »Damit er stirbt.«
»Warum?«
Die Antworten wurden unweigerlich wiederholt und vermochten mich ebenso unweigerlich kein Jota klüger zu machen. Nach vielen Fragen hatte ich erfahren: Sie hatten Tuk getötet, damit er starb, und er war gestorben, weil er getötet worden war.
»Was ist der Unterschied zwischen dem Tod und dem wahren Tod?«, fragte ich nach einer Weile, wobei ich weder dem Komlog noch meiner Beherrschung mehr vertraute.
Del, der dritte Bikura, grunzte eine Antwort, die das Komlog folgendermaßen übersetzte: »Dein Begleiter ist den wahren Tod gestorben. Du nicht.«
Schließlich brüllte ich in einer Frustration, die Wut allzu nahe kam: »Und Warum nicht? Warum habt ihr mich nicht getötet?«
Alle drei hörten mitten in ihrem hirnlosen Weben auf und sahen mich an. »Du kannst nicht getötet werden, weil du zur Kruziform gehörst und dem Weg des Kreuzes folgst.«
Ich hatte keine Ahnung, weshalb das verfluchte Gerät Kreuz mit »Kreuz« und im nächsten Augenblick mit »Kruziform« übersetzte. Weil du zur Kruziform gehörst …
Ein kalter Schauer durchlief mich, gefolgt vom Drang zu lachen. War ich in das Klischee alter Abenteuerholos geraten – der vergessene Stamm, der den »Gott« anbetete, der in seinen Dschungel gestolpert war, bis der arme Kerl sich beim Rasieren oder sonstwo schneidet, worauf die Stammesmitglieder, beruhigt und ein wenig erleichtert ob der offensichtlichen Sterblichkeit ihres Besuchers, den einstigen Gott als Opfer darbringen?
Das wäre komisch gewesen, hätte ich das Bild von Tuks blutleerem Gesicht und seiner roten, klaffenden Wunde nicht so deutlich vor Augen gehabt.
Ihre Reaktion auf das Kreuz deutete eindeutig darauf hin, dass ich auf eine Gruppe Überlebender einer einst christlichen Kolonie – Katholiken? – gestoßen war, obwohl die Daten im Komlog behaupteten, dass sich an Bord des Saatschiffs, das vor vierhundert Jahren auf diesem Plateau notgelandet war, siebzig Kolonisten befunden hatten, die ausnahmslos Neo-Kerwin-Marxisten gewesen waren und den alten Religionen gleichgültig bis offen feindselig gegenüberstehen hätten sollen.
Ich überlegte mir, ob ich das Thema als viel zu gefährlich fallenlassen sollte, aber mein dummer Drang zu wissen trieb mich an. »Betet ihr Jesus an?«, fragte ich.
Ihre verständnislosen Gesichter machten eine verbale Verneinung überflüssig.
»Christus?«, versuchte ich es wieder. »Jesus Christus? Christen? Die katholische Kirche?«
Kein Interesse.
»Katholiken? Jesus? Maria? Petrus? Paulus? St. Teilhard?«
Das Komlog gab Geräusche von sich, aber die Worte schienen keine Bedeutung für sie zu haben.
»Ihr folgt dem Kreuz?«, sagte ich, um einen letzten Kontakt bemüht.
Alle drei sahen mich an. »Wir gehören zur Kruziform«, sagte Alpha.
Ich nickte, obwohl ich nichts begriff.
An diesem Abend schlief ich kurz vor Sonnenuntergang kurz ein, und als ich wieder aufwachte, erklang die Orgelpfeifenmusik der Winde der Kluft zur Abenddämmerung. Hier auf den Simsen des Dorfes war sie viel lauter; selbst die Hütten schienen in den Chor einzustimmen, wenn die Winde durch Lücken in den Steinen, wiegende Farnwedel und primitive Rauchabzugslöcher heulten und pfiffen.
Etwas stimmte nicht. Ich brauchte eine Minute, bis mir in meiner Benommenheit auffiel, dass das Dorf verlassen war. Alle Hütten standen leer. Ich setzte mich auf einen kalten Felsblock und fragte mich, ob meine Anwesenheit einen Massenexodus ausgelöst hatte. Die Windmusik hatte aufgehört, hinter Rissen in den tiefhängenden Wolken begannen die Meteoriten ihr nächtliches Feuerwerk – als ich ein Geräusch hinter mir hörte, mich umdrehte und alle siebzig der Fünf Dutzend und Zehn hinter mir sah.
Sie gingen wortlos an mir vorbei in
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