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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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zentrale Portal, wo sich der Korridor in drei kleinere Flure teilte; eine Rampe hinauf und gleich wieder hinunter in den schmalen Durchgang, den sie bei der ersten Erkundung »Pharaoh Tuts Highway« genannt hatten; dann eine Rampe hinunter und durch einen niederen Tunnel, wo er kriechen musste, wobei er Ellbogen und Knie sorgfältig so platzierte, dass er den warmen Metalltentakel nicht berührte; eine so steile Schräge hinauf, dass er wie durch einen Schornstein klettern musste; einen breiteren Korridor entlang, an den er sich nicht erinnern konnte, wo die Steine sich an der Decke abwärtsneigten und Feuchtigkeit tröpfelte; und dann steil nach unten, wo er sein Vorankommen nur durch Aufschürfungen an Händen und Knien bremsen konnte, bis er endlich einen Abschnitt entlangkroch, der länger zu sein schien als der gesamte Durchmesser der Sphinx. Der Konsul hatte sich
vollkommen verirrt und verließ sich darauf, dass ihn das Kabel wieder hinausführen würde, wenn der Zeitpunkt gekommen war.
    »Sol«, rief er schließlich, rechnete aber nicht damit, dass der Kommunikator durch Stein und Zeitgezeiten übermitteln würde.
    »Hier«, antwortete die Stimme des Gelehrten leise flüsternd.
    »Ich bin verflucht weit drinnen«, flüsterte der Konsul in sein Komlog. »Habe einen Korridor hinter mir, an den ich mich überhaupt nicht erinnern kann. Scheint tief zu sein.«
    »Haben Sie das Ende des Kabels gefunden?«
    »Ja«, erwiderte der Konsul leise und lehnte sich zurück, damit er sich mit einem Taschentuch den Schweiß vom Gesicht wischen konnte.
    »Nexus?«, fragte Sol und meinte damit einen der zahllosen Terminalanschlüsse, wo sich Bürger des Netzes in die Datensphäre einklinken konnten.
    »Nein. Hier scheint das Ding direkt in den Stein des Fußbodens einzudringen. Der Korridor ist ebenfalls zu Ende. Ich habe versucht, es zu bewegen, aber die Verbindung ist ähnlich wie der Wulst an ihrem Kopf. Scheint Teil des Gesteins zu sein.«
    »Kommen Sie raus«, sagte Sols Stimme über das Rauschen von Statik hinweg. »Wir versuchen, sie davon zu befreien.«
    In der feuchten Dunkelheit des Tunnels spürte der Konsul zum ersten Mal in seinem Leben einen Anfall von Klaustrophobie. Das Atmen fiel ihm schwer. Er war überzeugt, dass sich etwas hinter ihm in dem Korridor aufhielt und ihm Luftversorgung und Fluchtweg gleichermaßen abschnitt. In dem engen Steinflur war das Pochen seines Herzschlags fast hörbar.
    Er holte langsam Luft, wischte sich noch einmal das Gesicht ab und drängte die Panik zurück. »Das könnte ihr Tod sein«, sagte er zwischen flachen Atemzügen.

    Keine Antwort. Der Konsul rief noch einmal, aber etwas hatte die ohnehin schon schwache Verbindung unterbrochen.
    »Ich komme raus«, sagte er in das stumme Instrument, drehte sich um und ließ den Lichtstrahl durch den niederen Tunnel kreisen. Hatte das Kabeltentakel gezuckt – oder war das nur eine optische Täuschung?
    Der Konsul kroch den Weg zurück, den er gekommen war.
     
    Sie hatten Het Masteen bei Sonnenuntergang gefunden, Minuten bevor der Zeitsturm losgebrochen war. Der Tempelritter hatte getaumelt, als der Konsul, Sol und Duré ihn zum ersten Mal gesehen hatten, und als sie seine gestürzte Gestalt erreicht hatten, war Masteen bewusstlos gewesen.
    »Tragen wir ihn zur Sphinx«, sagte Sol.
    In diesem Augenblick strömten die Gezeiten der Zeit, als hätte die untergehende Sonne die Choreografie übernommen, über sie hinweg wie eine Flutwelle von Übelkeit und déjà vu. Alle drei Männer fielen auf die Knie. Rachel wachte auf und schrie mit der Heftigkeit eines verängstigten Neugeborenen.
    »Zum Eingang des Tals«, keuchte der Konsul, der mit Het Masteen über der Schulter aufstand. »Müssen raus … aus … dem Tal.«
    Die drei Männer gingen zum Zugang des Tals, am ersten Grab vorbei, der Sphinx, aber die Gezeiten der Zeit wurden noch schlimmer und wehten wie ein schrecklicher Wind des Schwindelgefühls gegen sie. Dreißig Meter weiter, und sie konnten nicht mehr klettern. Sie fielen auf Hände und Knie, Het Masteen rollte über den festgetretenen Pfad. Rachel hatte zu schreien aufgehört, wand sich aber vor Unbehagen.
    »Zurück!«, keuchte Paul Duré. »Zurück ins Tal. Hinten … war es besser.«
    Sie gingen den Weg zurück, taumelten wie drei Betrunkene, und jeder trug eine Last, die so wertvoll war, dass man sie
nicht fallenlassen durfte. Unterhalb der Sphinx ruhten sie einen Moment lang mit an die Felsen gelehnten Rücken aus,

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