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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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während die Beschaffenheit von Raum und Zeit sich rings um sie herum zu wölben und zu verlagern schien. Es war, als wäre die Welt die Oberfläche einer Flagge, die jemand mit einem wütenden Ruck ausgerollt hatte. Die Wirklichkeit schien sich zu bauschen und zusammenzuziehen, weiter fortzuwehen und zurückzubranden wie eine Welle, die über ihnen zusammenschlug. Der Konsul ließ den Tempelritter an den Felsen gelehnt liegen, sank auf alle viere, keuchte und klammerte sich mit den Fingern panisch am Boden fest.
    »Der Möbiuskubus«, sagte der Tempelritter, der sich regte, die Augen aber geschlossen ließ. »Wir brauchen den Möbiuskubus.«
    »Verdammt«, brachte der Konsul heraus. Er schüttelte Het Masteen grob. »Warum brauchen wir den? Masteen, warum brauchen wir ihn?« Der Kopf des Tempelritters rollte schwach hin und her. Er war wieder bewusstlos.
    »Ich hole ihn«, sagte Duré. Der Priester sah alt und krank aus, Gesicht und Lippen waren blass.
    Der Konsul nickte, hob Het Masteen über die Schulter, half Sol auf die Füße und stolperte das Tal entlang, während er spürte, wie die Wogen der Anti-Entropiefelder nachließen, je weiter sie sich von der Sphinx entfernten.
    Pater Duré war den Weg hochgekommen, die lange Treppe hinaufgestiegen und taumelte zum Eingang der Sphinx, wo er sich in den rauhen Steinen festhielt wie ein Seemann bei starkem Seegang an einer Rettungsleine. Die Sphinx schien sich über ihm zu neigen, zuerst dreißig Grad in die eine Richtung, dann fünfzig in die andere. Duré wusste, dass das lediglich an der Heftigkeit der Zeitgezeiten lag, die seine Sinne verwirrten, aber dennoch reichte es aus, dass er niederkniete und sich auf den Steinboden erbrach.

    Die Gezeiten hielten für einen Augenblick inne wie tosende Brandung zwischen zwei verheerenden Wellenkämmen, und Duré konnte aufstehen, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und stolperte in das dunkle Grab.
    Er hatte keine Taschenlampe mitgebracht; stolpernd tastete er sich weiter und wurde dabei von zwei Hirngespinsten heimgesucht – einmal, er würde etwas Kaltes und Glitschiges in der Dunkelheit berühren, und dann, er könnte in den Raum stolpern, wo er wiedergeboren worden war, und dort seinen wie im Grab verwesenden Leichnam sehen. Duré schrie, aber der Schrei ging im tornadoartigen Dröhnen seines eigenen Pulses unter, als die Gezeiten der Zeit mit unverhohlener Wucht wieder einsetzten.
    Der Schlafsaal war dunkel, jene schreckliche Dunkelheit, die aus dem völligen Fehlen von Licht besteht, aber Durés Augen passten sich an, und er stellte fest, dass der Möbiuskubus selbst schwach leuchtete und die Anzeigen blinkten.
    Er stolperte durch den unordentlichen Raum, packte die Box und hob das schwere Ding mit einem plötzlichen Adrenalinstoß hoch. Die zusammenfassenden Bandaufzeichnungen des Konsuls hatten diesen Gegenstand erwähnt – Masteens geheimnisvolles Gepäckstück während der Pilgerfahrt –, ebenso die Tatsache, dass sich möglicherweise ein Erg darin befand, eine der außerirdischen Kraftfeldkreaturen, die benützt wurden, die Raumschiffe der Tempelritter anzutreiben. Duré hatte keine Ahnung, weshalb der Erg jetzt so wichtig war, aber er drückte das Kästchen an die Brust, während er den Korridor zurückstolperte, hinaus, die Stufen hinunter und tiefer ins Tal.
    »Hier!«, rief der Konsul vom ersten Höhlengrab am Ansatz der Felswand. »Hier ist es besser.«
    Duré stolperte den Pfad hinauf und ließ vor Verwirrung und plötzlicher Erschöpfung fast den Kubus fallen; der Konsul half ihm die letzten dreißig Schritte in das Grab.

    Drinnen war es besser. Duré konnte das Auf und Ab der Zeitgezeiten unmittelbar vor dem Höhleneingang spüren, aber weit hinten in der Höhle, wo Leuchtkugeln mit ihrem kalten Licht komplexe Schnitzereien enthüllten, war es fast normal.
    Der Priester brach neben Sol Weintraub zusammen und schob den Möbiuskubus neben die stumme, aber aufmerksame Gestalt von Het Masteen.
    »Er ist gerade wach geworden, als Sie gekommen sind«, flüsterte Sol. Die Augen des Babys waren im spärlichen Licht sehr groß und sehr dunkel.
    Der Konsul ließ sich neben den Tempelritter sinken. »Warum brauchen wir den Kubus? Masteen, warum brauchen wir ihn?«
    Het Masteens Blick wankte nicht; er blinzelte nicht. »Unser Verbündeter«, flüsterte er. »Unser einziger Verbündeter gegen den Herrn der Schmerzen.« Den Silben haftete der eigenwillige Dialekt der Tempelritterwelt an.
    »Wie ist er

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