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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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seinen ersten und letzten Atemzug hinauskreischte, und gab es dem Shrike.
    Als ihm das geringe Gewicht genommen wurde, verspürte er ein schreckliches Schwindelgefühl.
    Das Shrike hob Rachel hoch, trat zurück und wurde von Licht eingehüllt.
    Hinter der Sphinx hörte der Baum der Dornen auf zu flimmern, wurde phasengleich mit dem Jetzt und nahm furchtbare Klarheit an.
    Sol ging mit ausgestreckten Armen auf das Shrike zu, während das Wesen in das Leuchten zurückwich und verschwand. Explosionen zerfetzten die Wolkendecke, die Druckwellen warfen Sol auf die Knie.
    Hinter ihm, rings um ihn herum, taten sich die Zeitgräber auf.

DRITTER TEIL
    31
    Ich erwachte und war nicht erfreut, dass ich erwachte.
    Ich drehte mich um, blinzelte und verfluchte die plötzliche Invasion des Lichts und sah Leigh Hunt mit einem Aerosolinjektor in der Hand am Bettrand sitzen.
    »Sie haben so viel Schlaftabletten genommen, dass Sie den ganzen Tag im Bett geblieben wären«, sagte er.
    Ich setzte mich auf, rieb die Morgenstoppeln auf meinen Wangen und blinzelte in Hunts Richtung. »Verdammt, wer hat Ihnen das Recht gegeben, mein Zimmer zu betreten?« Nach der Anstrengung des Sprechens musste ich husten und hörte erst auf, als Hunt mit einem Glas Wasser aus dem Bad kam.
    »Hier.«
    Ich trank und versuchte zwischen Hustenanfällen vergeblich, Wut und Zorn zu verströmen. Die Reste des Traums verflogen wie Morgennebel. Ich spürte, wie mich ein schreckliches Gefühl des Verlusts überkam.
    »Ziehen Sie sich an«, sagte Hunt und stand auf. »Die Präsidentin will Sie in zwanzig Minuten in ihren Gemächern sehen. Während Sie geschlafen haben, hat sich die Lage verändert.«
    »Welche Lage?« Ich rieb mir die Augen und strich mit den Fingern durch das zerzauste Haar.
    Hunt lächelte gepresst. »Klinken Sie sich in die Datensphäre ein. Und dann gehen Sie schleunigst in Gladstones Gemächer. Zwanzig Minuten, Severn.« Er ging.
    Ich klinkte mich in die Datensphäre ein. Eine Möglichkeit,
sich den Zugangspunkt zur Datensphäre bildlich vorzustellen, besteht darin, an einen Ausschnitt des Meeres auf der Alten Erde in verschiedenen Stadien der Turbulenz zu denken. An normalen Tagen sieht man ein ruhiges Meer mit interessanten Wellenmustern. Bei Krisen zeigen sich Wogen und Schaumkronen. Heute war Sturm aufgekommen. Das Eindringen wurde auf freie Zugangskanäle verschoben, Verwirrung herrschte, umspülte die Wellenbrecher neuester Datenergänzungen, die Matrix der Dateiebene schwappte über vor Speicherverlagerungen und gewaltigen Kredittransfers, und das All-Wesen, normalerweise ein vielschichtiges Summen von Informationen und politischen Debatten, war ein tosender Wind der Verwirrung, unbeachteter Referenzen und vergeblichen Positionstemplaten, die wie Wolkenfetzen vorüberwehten.
    »Großer Gott«, flüsterte ich, unterbrach den Zugang, spürte aber den Druck der Informationen immer noch gegen meine Implantatschaltkreise und das Gehirn tosen. Krieg. Überraschungsangriff. Bevorstehende Vernichtung des Netzes. Gerüchte, Gladstone wegen Hochverrats anzuklagen. Aufstände auf Dutzenden Welten. Erstarken des Shrike-Kults auf Lusus. Die FORCE-Flotte wurde aus dem Hyperion-System abgezogen  – eine Verzweiflungsmaßnahme, aber zu spät, zu spät. Hyperion bereits unter Bombardement. Angst vor einer Farcasterinvasion.
    Ich stand auf, rannte nackt zur Dusche und ultraschallduschte in Rekordzeit. Hunt oder sonst jemand hatte einen förmlichen grauen Anzug nebst Cape zurechtgelegt; ich zog mich hastig an, strich das nasse Haar zurück, sodass die Locken auf den Kragen fielen.
    Es wäre nicht gut, die Präsidentin der Hegemonie der Menschheit warten zu lassen. O nein, das wäre ganz und gar nicht gut.
»Wird auch Zeit, dass Sie sich sehen lassen«, sagte Meina Gladstone, als ich ihre Privatgemächer betrat.
    »Verdammt, was haben Sie getan?«, schnauzte ich sie an.
    Gladstone blinzelte. Offenbar war es die Präsidentin der Hegemonie der Menschheit nicht gewohnt, dass in diesem Ton mit ihr gesprochen wurde. »Vergessen Sie nicht, wer Sie sind und wen Sie vor sich haben«, sagte sie kalt.
    »Ich weiß nicht, wer ich bin. Und möglicherweise spreche ich mit der größten Massenmörderin seit Horace Glennon-Height. Warum haben Sie diesen Krieg nur zugelassen?«
    Gladstone blinzelte erneut und sah sich um. Wir waren allein. Ihr Wohnzimmer war lang und angenehm dunkel, Originalgemälde von der Alten Erde hingen an den Wänden. In diesem Augenblick wäre mir

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