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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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gleichgültig gewesen, hätte ich mich in einem Zimmer voll mit Originalen van Goghs befunden. Ich betrachtete Gladstone, doch das lincolneske Gesicht war im spärlichen Licht, das durch die Jalousien drang, lediglich das einer alten Frau. Sie erwiderte meinen Blick einen Moment lang, dann wandte sie sich wieder ab.
    »Ich entschuldige mich«, sagte ich ohne entschuldigenden Tonfall in der Stimme. »Sie haben ihn nicht zugelassen , Sie haben ihn gemacht , oder nicht?«
    »Nein, Severn, ich habe ihn nicht gemacht.« Gladstones Stimme klang gedämpft, fast flüsternd.
    »Sprechen Sie«, sagte ich. Ich ging vor den hohen Fenstern auf und ab und beobachtete, wie das Licht durch die Jalousien wie gemalte Streifen über mich wanderte. »Und ich bin nicht Joseph Severn.«
    Sie zog eine Braue hoch. »Soll ich Sie M. Keats nennen?«
    »Sie können mich Niemand nennen«, sagte ich. »Wenn die anderen Zyklopen kommen und fragen, wer Sie geblendet hat, können Sie sagen, Niemand, und dann werden sie weggehen und sagen, es sei der Wille der Götter gewesen.«

    »Haben Sie vor, mich zu blenden?«
    »Im Augenblick könnte ich Ihnen den Hals umdrehen und ohne ein Fünkchen Mitleid meines Weges gehen. Millionen werden vor Ende dieser Woche sterben. Wie konnten Sie das nur geschehen lassen?«
    Gladstone fasste sich an die Unterlippe. »Die Zukunft zeigte nur zwei mögliche Zweige«, sagte sie leise, »Krieg und völlige Unsicherheit oder Frieden und sichere Vernichtung. Ich habe mich für Krieg entschieden.«
    »Wer sagt das?« Jetzt drückte meine Stimme mehr Neugier als Wut aus.
    »Es ist eine Tatsache.« Sie sah auf ihr Komlog. »In zehn Minuten muss ich vor dem Senat erscheinen und den Krieg erklären. Erzählen Sie mir Neuigkeiten von den Pilgern auf Hyperion.«
    Ich verschränkte die Arme und sah sie an. »Ich werde Sie Ihnen erzählen, wenn Sie mir etwas versprechen.«
    »Wenn ich kann.«
    Ich überlegte und kam zum Ergebnis, dass kein Druck im Universum diese Frau dazu bringen konnte, einen Blankoscheck zu unterschreiben. »Na gut«, sagte ich. »Ich möchte, dass Sie eine Fatlinesendung nach Hyperion schicken, das Schiff des Konsuls freigeben und jemand den Hoolie entlangschicken, um den Konsul zu finden. Er befindet sich etwa hundertdreißig Klicks von der Hauptstadt entfernt oberhalb der Schleusen von Karla. Er könnte verletzt sein.«
    Gladstone krümmte einen Finger, rieb sich damit über die Lippe und nickte. »Ich werde jemand schicken, der nach ihm sucht. Ob ich das Schiff freigebe, hängt davon ab, was Sie mir sonst noch zu erzählen haben. Leben die anderen noch?«
    Ich schlang das kurze Cape um mich und ließ mich ihr gegen über auf ein Sofa fallen. »Manche.«
    »Byron Lamias Tochter? Brawne?«

    »Das Shrike hat sie geholt. Eine Zeitlang war sie bewusstlos und mit einer Art Neuralstecker mit der Datensphäre verbunden. Ich habe geträumt … sie schwebte irgendwo und war mit dem Persönlichkeitsimplantat der ersten Keats-Rekonstruktion vereint. Sie drang gerade in die Datensphäre ein – sogar in die Megasphäre, Core-Verbindungen und Dimensionen, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte, ebenso die allgemein zugängliche Sphäre.«
    »Lebt sie noch?« Gladstone beugte sich wissbegierig vor.
    »Ich weiß es nicht. Ihr Körper ist verschwunden. Ich wurde geweckt, bevor ich sehen konnte, wo die Persönlichkeit in die Megasphäre eingedrungen ist.«
    Gladstone nickte. »Was ist mit dem Oberst?«
    »Kassad wurde von Moneta mitgenommen, der Menschenfrau, die in den Gräbern zu wohnen scheint, während sie durch die Zeit reisen. Als ich ihn zuletzt gesehen habe, hat er das Shrike mit bloßen Händen angegriffen – eigentlich die Shrikes, denn es waren Tausende.«
    »Hat er überlebt?«
    Ich breitete die Arme aus. »Ich es weiß nicht. Es waren Träume. Fragmente. Bruchstücke und Splitter der Wahrnehmung.«
    »Der Dichter?«
    »Silenus wurde vom Shrike weggetragen und auf dem Baum der Dornen gepfählt. Aber ich habe ihn später in Kassads Traum gesehen. Da lebte er noch. Ich weiß nicht, wie.«
    »Also gibt es den Baum der Dornen wirklich – er ist nicht nur Propaganda des Shrike-Kults?«
    »O ja, es gibt ihn.«
    »Und der Konsul ist aufgebrochen? Er hat versucht, die Hauptstadt zu erreichen?«
    »Er hatte die Schwebematte seiner Großmutter. Diese hat ausgezeichnet funktioniert, bis er die Stelle bei den Schleusen von Karla erreichte, die ich erwähnt habe. Dort ist er in
den Fluss gestürzt.« Ich kam

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