Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
auf, als könnte er meine Worte bestätigen, indem er Sternbilder betrachtet. Das Blau oben wird leicht grau, als sich hohe Zirruswölkchen auf der Himmelskuppel ausbreiten. »Hercules Cluster«, flüstert er.
    »Warum TechnoCore eine Nachbildung gebaut hat und was sie jetzt damit machen, konnte Brawne nicht herausfinden«, sage ich. »Entweder hat es der erste Keats-Cybrid nicht gewusst oder er hat es nicht gesagt.«
    »Nicht gesagt«, wiederholte Hunt und nickt. Dann schüttelt er den Kopf. »Na gut. Und wie, zum Teufel, kommen wir von hier weg? Gladstone braucht mich. Sie kann nicht … In den nächsten Stunden sind tausend lebenswichtige Entscheidungen zu treffen.« Er springt auf und läuft auf die Straße – eine Studie entschlossener Energie.
    Ich kaue auf dem Grashalm. »Ich vermute, dass wir gar nicht hier wegkommen.«
    Hunt kommt auf mich zu, als wollte er sich hier und jetzt auf mich stürzen. »Sind Sie verrückt ! Nicht hier weg? Das ist Irrsinn. Warum sollte der Core das machen?« Er verstummt, sieht auf mich herab. »Sie wollen nicht, dass Sie mit ihr reden. Sie wissen etwas, das der Core sie unmöglich erfahren lassen kann.«
    »Möglich.«
    »Lasst ihn hier, lasst mich gehen!«, schreit er zum Himmel.
    Niemand antwortet. Weit draußen über dem Weinberg fliegt ein großer schwarzer Vogel davon. Ich glaube, es ist eine Krähe; ich erinnere mich an den Namen der ausgestorbenen Gattung wie aus einem Traum.
    Nach einem Moment hört Hunt auf, zum Himmel zu brüllen, und geht auf der Straße hin und her. »Kommen Sie. Vielleicht führt die zu einem Terminex.«

    »Vielleicht«, sage ich und breche den Grashalm ab, um an die süße, trockene Spitze zu kommen. »Aber in welche Richtung?«
    Hunt dreht sich um, sieht die Straße in beiden Richtungen hinter Hügeln verschwinden, dreht sich zurück. »Als wir durch das Portal gekommen sind, haben wir in … in diese Richtung gesehen.« Er deutet mit dem Finger. Die Straße führt bergab in ein kleines Wäldchen.
    »Wie weit?«, frage ich.
    »Gottverdammt, spielt das eine Rolle?«, versetzt er. »Wir müssen irgendwo hin.«
    Ich widerstehe dem Impuls zu lächeln. »Na gut.« Ich stehe auf, wische mir die Hose ab und spüre das Sonnenlicht auf Stirn und Gesicht. Nach der weihrauchgeschwängerten dunklen Basilika ist es wie ein Schock. Die Luft ist sehr heiß, meine Kleidung ist schon schweißnaß.
    Hunt schreitet mit geballten Fäusten verbissen den Hügel hinunter, sein leutseliger Gesichtsausdruck ist endlich einmal einem anderen gewichen – verbohrter Entschlossenheit.
    Ich folge ihm langsam, ohne Eile, kaue immer noch auf dem Grashalm herum und mache vor Müdigkeit halb die Augen zu.
     
    Oberst Fedmahn Kassad schrie und griff das Shrike an. Die surrealistische, zeitlose Landschaft – eine Version des Tals der Zeitgräber, die von einem minimalistischen Bühnenkünstler entworfen, in Plastik gegossen und in ein Gel viskoser Luft gehüllt worden war – schien unter der Wucht von Kassads Ansturm zu erzittern.
    Einen Augenblick lang war ein Spiegelbildwirrwarr unzähliger Shrikes da gewesen – Shrikes im ganzen Tal und auf der kahlen Hochebene –, aber nach Kassads Schrei verschmolzen diese zum alleinigen und einzigen Monster, das sich jetzt
bewegte, die vier Arme ausbreitete und ausstreckte, um den anstürmenden Oberst mit einer herzlichen Umarmung von Klingen und Dornen zu empfangen.
    Kassad wusste nicht, ob sein Energiehautanzug, Monetas Geschenk, ihn beschützen oder im Kampf dienlich sein würde. Vor Jahren, als er und Moneta zwei Landungsbootbesatzungen der Ousters angegriffen hatten, hatte er gute Dienste geleistet, aber damals war die Zeit auf ihrer Seite gewesen; das Shrike hatte den Strom der Ereignisse erstarrt und verlangsamt wie ein gelangweilter Beobachter, der mit der Fernbedienung der Holonische spielte. Jetzt waren sie außerhalb der Zeit, und das Shrike war der Gegner, kein schrecklicher Patron.
    Kassad schrie und senkte den Kopf und griff an, ohne Moneta zu sehen, die ihn beobachtete, oder den unmöglichen Baum der Dornen, der mit seinem grässlichen gepfählten Publikum in den Himmel ragte. Er dachte nicht einmal an sich selbst, außer als Kampfwerkzeug, als Instrument der Rache.
    Das Shrike verschwand nicht auf seine übliche Weise, hörte nicht auf, hierzu sein, um plötzlich dort zu erscheinen. Stattdessen duckte es sich und breitete die Arme noch weiter aus. Das Licht des aufgewühlten Himmels spiegelte sich in seinen

Weitere Kostenlose Bücher