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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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auf dem kurzen Hals der Kreatur. Das Geräusch des Aufpralls hallte durch das erstarrte Tal wie der Lärm einer Axt, die in Meilen Entfernung ins Herz eines Rotholzbaums beißt.
    Das Shrike stolperte vorwärts und rollte sich auf den Boden wie ein Schalentier aus Stahl.
    Es war gefallen!
    Kassad kam geduckt und argwöhnisch nach vorn – aber nicht vorsichtig genug, da der gepanzerte Fuß, Klaue oder was auch immer des Shrike seinen Knöchel erwischte und ihn von den Füßen riss.
    Oberst Kassad spürte den Schmerz, wusste, seine Achillessehne war durchgeschnitten worden, wollte sich wegrollen, aber die Kreatur schnellte hoch und warf sich seitlich auf ihn, sodass Stacheln und Dornen und Klingen auf Kassads Rippen, Gesicht und Augen zielten. Kassad krümmte sich vor Schmerzen, unternahm vergebliche Versuche, das Monster abzuschütteln, rettete sein Augenlicht und spürte, wie andere Klingen in Oberarme, Brust und Bauch eindrangen.
    Das Shrike kam näher und riss den Mund auf. Kassad sah reihenweise Stahlzähne in der hohlen Mundöffnung. Rote Augen füllten seinen von Blut ohnehin rot getönten Sehbereich aus.
    Kassad bekam den Ansatz der Handfläche unter den Kiefer des Shrike und versuchte, Halt zu finden. Es war, als wollte man einen Berg scharfkantigen Edelstahls ohne Hebel hochheben.
    Die Fingerklingen des Shrike zerfetzten weiter Kassads Fleisch. Das Ding sperrte das Maul auf und neigte den Kopf, bis Kassads Universum nur noch aus Zähnen bestand. Das
Monster atmete nicht, aber die Hitze aus seinem Innern stank nach Schwefel und überhitzten Metallegierungen. Kassad hatte keine Möglichkeit der Verteidigung mehr; wenn das Ding die Kiefer zuklappte, würde es Kassad Haut und Fleisch im Gesicht bis auf die Knochen abreißen.
    Plötzlich war Moneta da und schrie, krallte nach den Rubinaugen des Shrike, krümmte die Finger unter dem Hautanzug wie Klauen, stemmte die Stiefel fest auf den Panzer unter dem Rückendorn und riss.
    Die Arme des Shrike schnappten mit zwei Gelenken wie die einer alptraumhaften Krabbe, nach hinten, die Fingerklingen ritzten Moneta, die losließ, aber zuvor konnte sich Kassad noch wegrollen, aufrappeln, spürte die Schmerzen, denen er keine Beachtung schenkte, sprang auf und wich über Sand und erstarrten Fels zurück, wobei er Moneta mit sich zog.
    – Töte es!, flüsterte Moneta drängend, und er hörte ihre Schmerzen selbst in diesem subvokalen Medium.
    – Ich versuche es. Ich versuche es.
    Das Shrike kam auf die Beine, drei Meter Chrom und Klingen und Schmerzen anderer Menschen. Es schien unbeschädigt zu sein. Das Blut von irgendjemandem lief in schmalen Rinnsalen an Handgelenken und Brustpanzer hinab. Das hirnlose Grinsen schien breiter als zuvor zu sein.
    Kassad löste seinen Hautanzug von dem Monetas und ließ sie behutsam auf einen Felsquader sinken, obwohl er spürte, dass er schlimmer verletzt war als sie. Dies war nicht ihr Kampf. Noch nicht.
    Er stellte sich zwischen seine Geliebte und das Shrike.
    Kassad zögerte, als er ein leises Rauschen hörte wie von Brandung an einer unsichtbaren Küste. Er sah auf, ohne jemals den Blick völlig von dem näherkommenden Shrike zu nehmen, und stellte fest, es handelte sich um Schreie vom Dornenbaum weit hinter dem Monster. Die dort gekreuzigten
Menschen – winzige Farbtupfer, die an Metalldornen und kalten Zweigen hingen – gaben andere Geräusche als das unterschwellige gequälte Stöhnen von sich, das Kassad vorher gehört hatte. Sie spendeten ihm Beifall!
    Kassad konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf das Shrike, als das Ding ihn erneut umkreiste. Er spürte Schmerzen und Schwäche in der fast abgetrennten Ferse – sein rechter Fuß war nutzlos und konnte kein Gewicht tragen –, er hinkte und stützte sich mit einer Hand auf dem Felsen ab, damit er zwischen dem Shrike und Moneta bleiben konnte.
    Das ferne Jubeln schien in ein Aufstöhnen überzugehen.
    Das Shrike hörte auf, dort zu sein und tauchte hier auf, neben Kassad, auf Kassad, hatte bereits die Arme um ihn geschlungen  – ein tödliches Umarmen mit stechenden Dornen und Klingen. Die Augen des Shrike glühten. Es klappte die Kiefer wieder auf.
    Kassad schrie vor Wut und Trotz auf und schlug verzweifelt nach dem Monster.
     
    Pater Paul Duré trat ohne Zwischenfälle durch die Papsttür nach God’s Grove. Er kam aus dem weihrauchschwangeren Halbdunkel der päpstlichen Gemächer plötzlich in grelles Sonnenlicht mit einem zitronengelben Himmel und grünen

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