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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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der Heiler, groß wie das Shrike und wuchtig, hohe Stirn
und eine Kaskade wabernder Energie, bei der es sich um eine Mähne handeln konnte; daneben eine Frau, nicht größer als ein Kind, aber eindeutig eine Frau, wohlproportioniert und mit muskulösen Beinen, kleinen Brüsten und zwei Meter langen Feenflügeln, die aus ihrem Rücken wuchsen – nicht nur zur Zierde, denn als ein Windhauch über das orangefarbene Präriegras strich, verfiel diese Frau in einen kurzen Trab, breitete die Arme aus und schwang sich anmutig in die Luft.
    Hinter mehreren großen, hageren Frauen mit blauen Hautanzügen und langen Fingern mit Schwimmhäuten dazwischen stand eine Gruppe gedrungener Männer mit Visieren und Körperpanzern wie FORCE:Marines, die im Vakuum in die Schlacht zogen, aber Kassad spürte, dass der Panzer Teil ihrer Körper war. Über ihnen schwebte ein Schwarm geflügelter Männer mit den Aufwinden, zwischen denen dünne, gelbe Strahlen Laserlicht wie eine Art komplexer Code pulsierten. Die Laserstrahlen schienen aus einem Auge auf ihrer Brust zu kommen.
    Kassad schüttelte wieder den Kopf.
    »Wir müssen gehen«, sagte Moneta. »Das Shrike kann uns nicht hierher folgen, aber diese Krieger haben genug zu tun, auch ohne dass sie sich um diese spezielle Manifestation des Herrn der Schmerzen kümmern müssten.«
    »Wo sind wir?«, fragte Kassad.
    Moneta ließ mit einer goldenen Stockzwinge von ihrem Gürtel ein violettes Oval erscheinen. »Weit in der Zukunft der Menschheit. Einer möglichen Zukunft. Hier wurden die Zeitgräber geschaffen und rückwärts durch die Zeit geschickt.«
    Kassad sah sich wieder um. Etwas ungeheuer Großes bewegte sich vor dem Sternenfeld, verdeckte Tausende Sterne und warf für Sekundenbruchteile einen Schatten, ehe es verschwand. Die Männer und Frauen sahen kurz auf, dann gingen sie wieder ihren Verrichtungen nach: Sie ernteten kleine
Früchte von den Bäumen, fanden sich in Gruppen zusammen, um helle Energiekarten zu studieren, die ein Mann mit einem Fingerschnippen ins Leben gerufen hatte, flogen schnell wie ein geworfener Speer zum fernen Horizont. Ein flaches, rundliches Individuum unbestimmbaren Geschlechts hatte sich ins weiche Erdreich eingegraben und war nur noch als schwache Linie aufgeworfener Erde sichtbar, die sich in raschen, konzentrischen Kreisen um die Gruppe herumbewegte.
    »Wo ist dieser Ort?«, fragte Kassad wieder. »Was ist er?« Plötzlich fühlte er sich unerklärlicherweise den Tränen nahe, als wäre er um eine unbekannte Ecke gebogen und nach Hause ins Siedlungsprojekt Tharsis gelangt, wo seine längst tote Mutter ihm unter der Tür zuwinkte, seine vergessenen Freunde und Geschwister darauf warteten, dass er sich auf ein Ballspiel zu ihnen gesellte.
    »Komm!«, sagte Moneta, und die Dringlichkeit in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Sie zog Kassad zu dem leuchtenden Oval. Er betrachtete die anderen und die Sternenkuppel, bis er durchgegangen war und der Anblick verschwand.
    Sie kamen in Dunkelheit heraus, aber der Filter von Kassads Hautanzug brauchte nur Sekundenbruchteile, bis sich die Sicht angepasst hatte. Sie befanden sich vor dem Kristallmonolithen im Tal der Zeitgräber auf Hyperion. Es war Nacht. Wolken brodelten oben, ein Sturm tobte. Lediglich das pulsierende Leuchten der Gräber selbst erhellte den Schauplatz. Kassad verspürte ein klägliches Gefühl der Sehnsucht nach dem sauberen, hell erleuchteten Ort, den sie gerade verlassen hatten, aber dann konzentrierte er sich auf das, was er vor sich sah.
    Sol Weintraub und Brawne Lamia befanden sich einen halben Klick taleinwärts, Sol beugte sich über die Frau, die beim Jadegrab lag. Wind wirbelte so dicht Staub um sie herum auf, dass sie nicht sehen konnten, wie das Shrike sich wie ein weiterer
Schatten am Obelisken vorbei den Weg entlang auf sie zu bewegte.
    Fedmahn Kassad trat vom dunklen Marmor vor dem Monolithen herunter und wich den verstreuten Kristallscherben auf dem Weg aus. Er spürte, dass sich Moneta noch immer an seinem Arm festhielt.
    »Wenn du wieder kämpfst«, sagte sie leise in sein Ohr, »wird das Shrike dich töten.«
    »Es sind meine Freunde«, sagte Kassad. Seine FORCE-Ausrüstung und der Panzer lagen noch dort, wo Moneta sie vor Stunden hingeworfen hatte. Er suchte den Monolithen ab, bis er seine Gefechtswaffe und einen Granatengurt fand, vergewisserte sich, dass das Gewehr noch funktionierte, überprüfte Ladungen und entsicherte, ließ den Monolithen hinter sich und eilte mit

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