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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ausgebildet hatte. Jetzt grunzte sie, hob den Arm und schlug noch einmal zu, wobei sie ihre Hand in Gedanken in eine Axtklinge verwandelte, im Geiste sah , wie der Schlag den Schlauch durchtrennte und erfolgreich zerschnitt.
    Die zähe Nabelschnur wies eine leichte Vertiefung auf, pulsierte wie etwas Lebendiges und schien sich wegzurollen, als Brawne zum nächsten Schlag ausholte.
    Hinter ihr wurden Schritte laut. Brawne kicherte fast. Das Shrike konnte sich bewegen, ohne zu laufen, konnte sich von hier nach dort versetzen, ohne die Mühe des Gehens auf sich nehmen zu müssen. Es schien ihm Spaß zu machen, seine Beute einzuschüchtern. Brawne war nicht eingeschüchtert. Dazu war sie zu beschäftigt.
    Sie hob die Hand und ließ sie wieder niedersausen. Es wäre einfacher gewesen, den Stein zu zertrümmern. Sie hieb die Handkante erneut auf die Nabelschnur und spürte einen kleinen Knochen in ihrer Hand brechen. Der Schmerz war wie ein fernes Geräusch, so wie die Schritte hinter ihr.
    Hast du dir einmal überlegt , dachte sie, dass es sein Tod sein könnte, wenn du dieses Ding durchschlägst?
    Sie holte wieder aus. Die Schritte hielten am Fuß der Treppe inne.
    Brawne keuchte vor Anstrengung. Schweiß troff ihr von Stirn und Wangen und auf die Brust des schlafenden Dichters.

    Dabei kann ich dich nicht einmal ausstehen , dachte sie in Richtung Martin Silenus und schlug erneut zu. Es war, als wollte sie einem Elefanten aus Stahl ein Bein abhacken.
    Das Shrike kam langsam die Treppe herauf.
    Brawne erhob sich halb und legte das gesamte Körpergewicht in einen Schlag, der ihr fast die Schulter ausrenkte und das Handgelenk sowie kleinere Handknochen brach …
    … und die Nabelschnur durchtrennte.
    Rote, für Blut zu dünne Flüssigkeit ergoss sich über Brawnes Beine und den weißen Stein. Der durchgetrennte Schlauch, der aus der Wand ragte, zuckte und schlug dann wie ein peitschendes Tentakel um sich, bevor er reglos liegenblieb und eingezogen wurde wie eine blutende Schlange, die in ein Loch kroch, das aufhörte zu existieren, sobald die Nabelschnur nicht mehr zu sehen war. Der Stumpf der Nabelschnur, der noch mit Silenus Kopf verbunden war, verdorrte binnen weniger Sekunden und schrumpfte und trocknete aus wie eine Qualle an Land. Rot spritzte auf Gesicht und Schultern des Dichters, doch die Flüssigkeit wurde vor Brawnes Augen blau.
    Martin Silenus’ Lider zuckten, dann schlug er sie auf wie eine Eule.
    »Hey«, sagte er, »wissen Sie, dass dieses Scheißshrike genau hinter Ihnen steht?«
     
    Gladstone ’castete in ihre Privatgemächer und begab sich unverzüglich zur Fatlinekabine. Zwei Nachrichten warteten.
    Die erste kam aus dem Raum Hyperion. Gladstone blinzelte, als die leise Stimme ihres einstigen Generalgouverneurs auf Hyperion, Theo Lane, ihr einen kurzen Abriss der Begegnung mit dem Tribunal der Ousters gab. Gladstone lehnte sich im Sessel zurück und hob beide Fäuste an die Wangen, während Lane die Behauptungen der Ousters wiederholte, sie seien
nicht die Invasoren. Lane beendete die Übertragung mit einer kurzen Schilderung des Schwarms, seiner Überzeugung, dass die Ousters die Wahrheit sagten, einer Bemerkung, dass das Schicksal des Konsuls immer noch ungeklärt sei, und einer Bitte um weitere Anweisungen.
    »Antwort?«, fragte der Fatlinecomputer.
    »Empfang der Nachricht bestätigen«, sagte Gladstone. »Senden ›Auf Empfang bleiben‹ im diplomatischen Einwegcode.«
    Sie rief die zweite Nachricht ab.
    Admiral William Ajunta Lee erschien als verwackelte Fatlinebildprojektion  – sein schiffseigener Fatlinesender arbeitete offenbar mit verminderter Energie. Gladstone sah anhand peripherer Datenkolonnen, dass die Übertragung zwischen Standard-Flottentelemetrietransmissionen codiert worden war: Techniker von FORCE würden die Einzel-Summe-Diskrepanz letztendlich bemerken, aber das konnte noch Stunden oder Tage dauern.
    Lees Gesicht war blutig, der Hintergrund rauchverhangen. Gladstone glaubte in dem körnigen Schwarzweißbild zu erkennen, dass der junge Mann von einem Dockhangar seines Kreuzers aus sendete. Auf dem metallenen Arbeitstisch hinter ihm lag ein Leichnam.
    »… ein Trupp Marines konnte an Bord einer ihrer sogenannten Lanzetten gelangen«, keuchte Lee. »Sie sind bemannt – fünf pro Schiff –, und die Besatzung sieht auch wie Ousters aus , aber sehen Sie, was passiert, wenn wir eine Autopsie durchführen wollen.« Das Bild veränderte sich, und nun wurde Gladstone klar, dass

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