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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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war der einzige, den er finden konnte. Bei Sonnenuntergang hatte er daran gekrallt, bis seine Finger blutig waren. Er sah richtig aus, er summte richtig, er schien richtig zu sein, aber er ließ Hunt nicht durch.
    Ein Mond war aufgegangen und hing über der schwarzen Kolosseummauer, doch es war nicht der Mond der Alten Erde, wie man an den Staubstürmen und über seine Oberfläche wandernden Wolken erkennen konnte. Hunt saß im steinigen Zentrum und warf dem blau leuchtenden Portal finstere Blicke zu. Irgendwo hinter ihm ertönte der hektische Flügelschlag von Tauben und das Prasseln kleiner Kiesel auf Stein.
    Hunt erhob sich unter Schmerzen, holte den Laserschreiber aus der Tasche, stand breitbeinig da, wartete und bemühte sich, in die Schatten der zahlreichen Nischen und Erker des Kolosseums zu sehen. Nichts regte sich.

    Als plötzlich Lärm hinter ihm ertönte, wirbelte er herum und hätte mit dem Strahl beinahe auf die Oberfläche des Farcasterportals gefeuert. Dort wurde ein Arm sichtbar. Dann ein Bein. Eine Person kam durch. Dann noch eine.
    Hunts Rufe hallten im Kolosseum wider.
     
    Meina Gladstone hatte gewusst, es wäre ein Fehler, auch nur dreißig Minuten zu schlafen, obwohl sie sterbensmüde war. Aber sie hatte sich seit der Kindheit angewöhnt, Schlummerphasen von fünf bis fünfzehn Minuten einzulegen und in diesen kurzen Denkpausen die Toxine von Erschöpfung und Müdigkeit abzuschütteln.
    Jetzt, halb krank vor Erschöpfung und dem Schwindelgefühl der wirren achtundvierzig vergangenen Stunden, legte sie sich für ein paar Minuten auf das Sofa in ihrem Arbeitszimmer, verdrängte Triviales und Nebensächlichkeiten aus ihrem Denken und ließ ihr Unterbewusstsein einen Weg durch den Dschungel von Gedanken und Ereignissen finden. Ein paar Minuten döste sie, und beim Dösen träumte sie.
    Meina Gladstone richtete sich auf, streifte die leichte Afghandecke ab und tippte auf ihrem Komlog, noch ehe sie die Augen richtig offen hatte. »Sedeptra! Schaffen Sie General Morpurgo und Admiral Singh innerhalb von drei Minuten in mein Büro.«
    Gladstone ging ins angrenzende Bad, duschte mit Wasser und Ultraschall, holte frische Kleidung – ihre förmlichste aus schwarzem Kordsamt, einen rotgoldenen Senatsschal, der von einer goldenen Anstecknadel gehalten wurde, auf der das geodätische Symbol der Hegemonie abgebildet war, Ohrringe aus der Zeit der Alten Erde vor dem Großen Fehler und das Topasarmband mit Komlog, das ihr Senator Byron Lamia vor seiner Heirat geschenkt hatte – und war wieder rechtzeitig in ihrem Arbeitszimmer, dass sie die beiden Offiziere von FORCE begrüßen konnte.

    »Präsidentin, der Zeitpunkt ist mehr als unglücklich gewählt«, begann Admiral Singh. »Die letzten Daten von Mare Infinitus wurden analysiert, und wir haben uns über Flottenmanöver zur Verteidigung von Asquith unterhalten.«
    Gladstone rief ihren privaten Farcaster und bedeutete den beiden Männern, ihr zu folgen.
    Singh sah sich um, als er auf dem goldenen Gras unter dem bedrohlichen braunen Himmel stand. »Castrop-Rauxel«, sagte er. »Es gab Gerüchte, wonach eine frühere Regierung FORCE:Weltraum hier einen privaten Farcaster installieren ließ.«
    »Präsident Jewschenski ließ es ins Netz eingliedern«, sagte Gladstone. Sie winkte, worauf das Farcasterportal verschwand. »Er war der Meinung, dass der Präsident einen Ort brauchte, an dem es unwahrscheinlich ist, dass Abhörgeräte des Core installiert sind.«
    Morpurgo sah unbehaglich zu einer Wolkenfront am Horizont, in der ein Kugelblitz tanzte. »Kein Ort ist vollkommen sicher vor dem Core«, sagte er. »Ich habe Admiral Singh von unserem Verdacht erzählt.«
    »Kein Verdacht«, sagte Gladstone. »Tatsache. Und ich weiß, wo sich der Core befindet.«
    Beide Offiziere reagierten, als wären sie von dem Kugelblitz getroffen worden. »Wo?«, fragten sie fast einstimmig.
    Gladstone ging hin und her. Ihr kurzes graues Haar schien in der elektrisch aufgeladenen Luft zu leuchten. »Im Farcasternetz« , sagte sie. »Zwischen den Portalen. Die KIs leben dort in der Pseudowelt der Singularitäten wie Spinnen auf einem dunklen Netz. Und wir haben es für sie gewoben.«
    Morpurgo konnte als Erster wieder sprechen. »Mein Gott«, sagte er. »Was machen wir jetzt? Wir haben keine drei Stunden, bis das Schlachtschiff mit der Geheimwaffe des Core ins Hyperion-System übersetzt.«

    Gladstone sagte ihnen genau, was sie tun würden.
    »Unmöglich«, sagte Singh. Er zupfte

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