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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Haars, spürte ihre solide Wirklichkeit und hob dann das Neugeborene an die Schultern, dessen Zucken er spürte, ehe es Luft holte, um wieder zu weinen. Die Rachel, die er nach Hyperion gebracht hatte, war wohlbehalten in seinen Händen und runzelte das kleine rote Gesicht, während sie versuchte, den Blick ihrer ziellos kreisenden Augen auf das Gesicht ihres Vaters zu richten. Sol hielt ihren winzigen Kopf in der hohlen Hand, hob sie näher zu sich und studierte das kleine Gesicht einen Moment lang, ehe er sich der jungen Frau zuwandte.
    »Ist sie …«
    »Sie altert normal«, sagte seine Tochter. Sie trug etwas, das teils Kleid und teils Robe war und aus einem weichen braunen Material bestand.
    Sol schüttelte den Kopf, sah sie an, stellte fest, dass sie lächelte und bemerkte dasselbe Grübchen links unterhalb des Mundes, das er auch an dem Baby sah, das er trug. Er schüttelte wieder den Kopf. »Wie … wie ist das möglich?«
    »Es dauert nicht sehr lange«, sagte Rachel.
    Sol beugte sich vor und küsste nochmals die Wange seiner
erwachsenen Tochter. Er merkte, dass er weinte, wollte aber keine Hand loslassen, um sich die Tränen abzuwischen. Seine erwachsene Rachel nahm es ihm ab und strich ihm behutsam mit dem Handrücken über die Wangen.
    Unter ihnen auf den Stufen war ein Geräusch zu hören, und Sol sah über die Schulter und erblickte die drei Männer vom Schiff, die mit vom Laufen roten Gesichtern dastanden, sowie Brawne Lamia, die dem Dichter Martin Silenus half, sich auf die weißen Platten der Geländersteine zu setzen.
    Der Konsul und Theo Lane sahen zu ihnen auf.
    »Rachel …«, flüsterte Melio Arundez, dem Tränen in die Augen traten.
    »Rachel?« , sagte Martin Silenus stirnrunzelnd und sah Brawne Lamia an.
    Brawne sah mit halb offenem Mund hin. »Moneta«, sagte sie, deutete mit dem Finger auf sie und ließ ihn sinken, als sie bemerkte, dass sie deutete. »Sie sind Moneta. Kassads … Moneta.«
    Rachel nickte, ihr Lächeln verschwand. »Mir bleiben nur noch eine oder zwei Minuten hier«, sagte sie. »Und ich habe so viel zu erzählen.«
    »Nein«, sagte Sol, der die Hand seiner erwachsenen Tochter ergriff, »du musst bleiben. Ich möchte, dass du bei mir bleibst.«
    Rachel lächelte wieder. »Ich werde bei dir bleiben, Dad«, sagte sie leise und hob die andere Hand, damit sie dem Baby über den Kopf streichen konnte. »Aber nur eine von uns kann es – und sie braucht dich mehr als ich.« Sie drehte sich zu der Gruppe unten um. »Bitte hören Sie alle gut zu.«
    Während die Sonne aufging und die verfallenen Gebäude der Stadt der Dichter, das Schiff des Konsuls und die Felswände im Westen mit ihrem Licht übergoss, erzählte Rachel ihre kurze und faszinierende Geschichte, wie sie auserwählt worden war, in einer Zukunft großgezogen zu werden, in der
der letzte Krieg zwischen der vom Core geschaffenen HI und dem menschlichen Geist ausgefochten wurde. Es war, sagte sie, eine Zukunft furchterregender und wunderbarer Geheimnisse, in der sich die Menschheit über die gesamte Galaxis ausgebreitet hatte und sich anschickte, in andere Regionen zu reisen.
    »Andere Galaxien ?«, fragte Theo Lane.
    »Andere Universen«, sagte Rachel lächelnd.
    »Oberst Kassad hat Sie als Moneta gekannt«, sagte Martin Silenus.
    »Wird mich als Moneta kennen«, sagte Rachel, deren Augen sich umwölkten. »Ich habe ihn sterben sehen und sein Grab in die Vergangenheit begleitet. Ich weiß, ein Teil meiner Mission besteht darin, diesen legendären Krieger kennenzulernen und ihn zu einem letzten Kampf zu führen. Ich habe ihn noch nicht wirklich kennengelernt.« Sie sah das Tal hinab zum Kristallmonolithen. »Moneta«, sagte sie. »Das heißt ›Ermahnerin‹ auf lateinisch. Passend. Ich werde ihm die Wahl zwischen dem und Mnemosyne – ›Erinnerung‹ – als Namen überlassen.«
    Sol hatte die Hand seiner Tochter nicht losgelassen. Er tat es auch jetzt nicht. »Du reist mit den Gräbern in der Zeit zurück ? Warum? Wie?«
    Rachel hob den Kopf; reflektiertes Licht von den fernen Felsklippen malte einen warmen Farbton auf ihr Gesicht. »Es ist meine Rolle, Dad. Meine Pflicht. Sie geben mir Mittel und Wege, mit denen ich das Shrike in Schach halten kann. Und nur ich wurde … vorbereitet.«
    Sol hob seine neugeborene Tochter höher. Diese wurde aus dem Schlaf geschreckt, blies eine Speichelblase aus dem Mund, drehte das Gesicht wärmesuchend an den Hals ihres Vaters und ballte die kleinen Fäustchen auf seinem

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