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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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als der rubinrote Strahl sich an ihm vorbeiquälte. Unmöglich! Ich bin einem Laser ausgewichen! Er hob einen Stein auf und warf ihn nach dem Ouster, der die Höllenpeitsche am Panzer bediente. Ein Ultraschallrohr explodierte, der Schütze wurde nach hinten geschleudert, Kassad zog eine Plasmagranate aus dem Gurt des Toten, sprang zur Schleuse des Panzers und war schon wieder dreißig Meter entfernt, als die Stichflamme der Explosion geysirartig bis zum Bug des Angriffsboots emporschoss.
    Kassad hielt im Auge des Sturms inne und sah Moneta inmitten ihrer eigenen Verwüstungen. Blut spritzte auf sie, blieb aber nicht haften, sondern floss wie Öl auf Wasser über die regenbogenfarbenen Kurven von Kinn, Schultern, Brüsten und Bauch. Sie sah ihn über das Schlachtfeld hinweg an, und Kassad spürte eine neuerliche Woge der Blutgier in sich.
    Hinter ihr schritt das Shrike langsam durch das Chaos und suchte sich seine Opfer wie bei einer Ernte aus. Kassad beobachtete, wie Bild des Wesens flackerte, und überlegte sich, dass er und Moneta sich für den Herrn der Schmerzen so langsam bewegen mussten wie die Ousters für Kassad.
    Die Zeit machte einen Sprung und lief mit Vier-Fünftel-Geschwindigkeit ab. Die überlebenden Soldaten gerieten in Panik, feuerten aufeinander, verließen ihre Posten und versuchten, sich zu den Landungsbooten durchzuschlagen. Kassad versuchte sich vorzustellen, wie die vergangenen zwei Minuten für sie ausgesehen haben mussten: Schemen, die sich mit blitzartiger Geschwindigkeit durch ihre Verteidigungsanlagen bewegten; Kameraden die urplötzlich in gewaltigen Blutschwällen starben. Kassad betrachete Moneta, die durch ihre Reihen schritt und nach Belieben tötete. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass er eine gewisse Macht über die Zeit hatte:
ein Blinzeln – und die Geschwindigkeit seines Gegners verlangsamte sich um ein Drittel; Blinzeln – und die Ereignisse liefen wieder mit fast normaler Schnelligkeit ab. Kassads Ehrgefühl und seine Vernunft flehten ihn an, mit diesem Abschlachten aufzuhören, aber seine fast sexuelle Blutgier ließ keinerlei Einwände gelten.
    Jemand in dem Landungsboot hatte die Luftschleuse dichtgemacht, und nun setzte ein zu Tode geängstigter Soldat eine gezielte Plasmaladung ein, um das Schott aufzusprengen. Die Meute drängte hinein und trampelte über die Verwundeten, um dem unsichtbaren Gegner zu entkommen. Kassad folgte ihnen.
    Der Ausdruck »Kämpfen wie eine in die Enge getriebene Ratte« ist eine überaus zutreffende Beschreibung. In der gesamten Geschichte militärischer Konflikte haben die menschlichen Kontrahenten stets dann am erbittertsten gekämpft, wenn sie in geschlossenen Enklaven gestellt worden waren, wo es keine Fluchtmöglichkeit gab. Ob in den Passagen von La Haye Sainte und Hougoumont bei Waterloo oder in den Schwarmtunneln von Lusus, die schrecklichsten Kämpfe Mann gegen Mann der Geschichte wurden in engen Räumen ausgetragen, wo keine Rückzugsmöglichkeit mehr bestand. Auch an diesem Tag bewahrheitete es sich. Die Ousters kämpften und starben wie in die Enge getriebene Ratten.
    Das Shrike hatte das Angriffsboot außer Gefecht gesetzt. Moneta blieb draußen und tötete die Soldaten, die auf ihren Posten geblieben waren. Kassad tötete die im Innern.
    Schließlich feuerte das letzte Landungsboot auf seinen zum Untergang verurteilten Begleiter. Da war Kassad schon wieder draußen und beobachtete, wie die Teilchenstrahlen und Hochenergielaser auf ihn zukrochen, eine Ewigkeit später von Geschossen gefolgt, die sich so langsam zu bewegen schienen, dass er im Flug seinen Namen hätte darauf schreiben können.
Zu dem Zeitpunkt waren sämtliche Ousters im und um das überwältigte Boot herum bereits tot, aber das Sperrfeld hielt. Energiedispersion und Aufschlagexplosionen schleuderten Leichen entlang der äußeren Grenze umher, setzten Ausrüstung in Brand und schmolzen den Sand zu Glas, und Kassad und Moneta verfolgten in einer Kuppel orangefarbener Flammen, wie sich das verbliebene Landungsboot ins All zurückzog.
    – Können wir sie aufhalten? Kassad keuchte, schwitzte in Strömen und bebte buchstäblich vor Erregung.
    – Wir könnten, antwortete Moneta, aber wir wollen nicht. Sie werden die Botschaft zum Schwarm tragen.
    – Welche Botschaft?
    »Komm her, Kassad!«
    Er drehte sich um, als er ihre Stimme hörte. Das reflektierende Kraftfeld war verschwunden. Monetas Haut war ölig vor Schweiß; ihr dunkles Haar klebte klatschnass an den

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