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Die im Dunkeln

Die im Dunkeln

Titel: Die im Dunkeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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gebürgt hatte, verlangte der uniformierte Polizist einen Ausweis, verglich den in Wyoming ausgestellten Führerschein mit einer Namensliste, nickte dann und ließ Partain die Schließkarte benutzen, um ins Eden zu gelangen.
    Er schloß Nr. 1540 auf; Jessica Carver wartete in der Diele.
    »Haben Sie sie gefunden?« fragte sie.
    Er nickte. »Ich bin von Morton’s bis zur Klinik hinter ihnen hergefahren. Ihre Mutter wußte nicht, daß ich es bin, hat versucht, mich abzuhängen, und es fast geschafft.«
    »Wie hat sie’s aufgenommen?«
    »Sie war Ihretwegen besorgter als wegen Jack.«
    »Das ist nett von ihr«, sagte sie, musterte ihn einen Moment oder zwei, fragte dann: »Einen Drink?« Wieder nickte Partain. »Sehr gern.«
     
    Von der anderen Seite der Wohnzimmerbar stellte Jessica Carver eine großzügige Portion Scotch mit Eis vor Partain und fragte: »Wo ist der General?«
    »Noch immer in der Klinik.«
    Sie schaute auf ihre Uhr, sah, daß es fast Mitternacht war, und sagte: »Das heißt, er bleibt über Nacht da. Das passiert vier- oder fünfmal im Jahr, hier oder in Washington. Muß eine der dauerhaftesten Verbindungen von Küste zu Küste sein, die es je gab.«
    »Ich nehme an, das war auch so, während beide mit anderen verheiratet waren.«
    »Klar. Warum nicht?«
    »Meinen Segen haben sie«, sagte er und nippte an seinem Whisky.
    »Waren Sie je verheiratet?« sagte sie, nachdem sie von ihrem Glas getrunken hatte.
    »Einmal. Fünfzehn Monate lang.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie ist verschwunden.«
    »Sie meinen, gegangen.«
    »Nein. Sie ist einfach – verschwunden.«
    »Wo?«
    »San Salvador.«
    Sie wartete auf die Fortsetzung, aber als er schwieg, schlug sie mit der flachen Hand auf die Bar und sagte sehr laut: »Partain, aufwachen!«
    Er starrte sie an. »Ich bin wach.«
    »Sind Sie sicher, daß Sie keine Anfälle von Dösen mit offenen Augen haben? Oder ist das einfach zu – zu schmerzlich, um darüber zu reden? Wenn Sie mit etwas anfangen, bringen Sie’s zu Ende. Auch wenn es die traurigste aller traurigen Geschichten ist.«
    »Sie sind neugierig«, sagte er; er klang überrascht.
    »Wie scharfsinnig von Ihnen.«
    »Warum?«
    »Sie meinen, warum ich neugierig bin? Weil ich normal bin; und ich habe viel übrig für Anfang, Mitte und Ende. Mit dem Anfang, das haben Sie ganz gut hingekriegt. ›Sie ist einfach – verschwunden.‹ Warum machen Sie da nicht einfach ...«
    Er unterbrach sie. »Sie können gut imitieren, nicht wahr? Meine Intonation und die Pause haben Sie voll getroffen. Sogar meinen platten kalifornischen Akzent. Okay. Der Rest der Story. Sie war aus Salvador und elf Jahre jünger als ich. Wir haben in San Salvador gewohnt. Eines Morgens ist sie losgezogen, um Briefpapier zu kaufen. Sie mochte diese dicke, sahnige Sorte, die schwer zu kriegen war. Sie hatte gehört, in einem kleinen Laden in der Nähe gäbe es so was. Sie ist genau zweiundvierzig Meter unsere Straße langgegangen, bis ein schwarzer SEL vierhundertfünfzig Baujahr neunundachtzig neben ihr hielt; drei Männer sind ausgestiegen. Vielleicht hatten sie Masken auf, vielleicht nicht. Die Zeugenaussagen widersprechen sich. Sie haben sie auf den Rücksitz gezerrt. Der Fahrer ist hinterm Steuer geblieben. Der Wagen ist losgefahren, und sie ist verschwunden.«
    JessicaCarvers Augen waren so weit aufgerissen wie nur möglich; brüsk schüttelte sie den Kopf, als wolle sie das Bild der Entführung loswerden. »Das ist furchtbar«, sagte sie. »Mein Gott, ist das furchtbar.«
    Partain nickte.
    »Haben Sie je eine Spur ...«
    »Keine Spur«, sagte er. »Keine Leiche. Nichts.«
    »Irgendeine Chance, daß sie noch ...« Carver las die Antwort in Partains Miene und sagte: »Nein. Wahrscheinlich nicht. Was ist mit den vier ...«
    Wieder ließ er sie nicht ausreden. »Sie wurden nie identifiziert. Offenbar war es eine politisch motivierte Entführung, aber sie hatte überhaupt nichts mit Politik am Hut. Das einzige politische Verbrechen, das sie je begangen hat, war, mich zu heiraten. Wenn sie zur Rechten oder zur Linken gehört hätte, hätte vielleicht jemand was unternommen. Vergeltung, wenn nichts anderes, oder sogar die Kidnapper aufgetrieben. Aber die Unpolitischen haben kein Hauptquartier, keinen Chef, keine Kader, kein Geld, keinen Einfluß. Also hat niemand etwas unternommen.«
    »Was haben Sie gemacht?« fragte sie.
    »Eine Belohnung ausgesetzt. Ich habe dreitausend Plakate drucken lassen. Kinder bezahlt, um die überall

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