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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Aufzeichnungen des J. Chr. Ströndle befinden, hat dieser seine Vaterstadt Heilbronn im Jahre 1848 aus politischen Gründen verlassen. Er scheint sich längere Zeit in Holland aufgehalten zu haben, wo er im Frühjahr 1849 auf einem holländischen Ostindienfahrer als Schiffszimmermann anheuerte. Sein Schiff, die holländische Barke ,Penelope’, geriet vor der Koromandelküste in einen Orkan und ging am 12. Juli 1849 unter...“
    „Der Arme...!“ seufzte Christa auf.
    „Und deshalb machen die Brüder die Pferde scheu?“ fragte Werner mit enttäuschtem Gesicht.
    „Halt doch die Klappe!“ fuhr ihn sein Vater an, „es geht doch weiter!“
    Er schluckte eine Trockenheit in der Kehle hinunter und befeuchtete sich mit der Zungenspitze die spröden Lippen.
    „Einige Mitglieder der Besatzung wurden gerettet, darunter auch Johannes Chrysostomus Ströndle...“
    „Gott sei Dank!“ atmete Charlotte auf.
    „Unterbrecht ihn doch nicht andauernd!“ sagte Martha zornig; sie stemmte sich auf den Küchentisch und forderte Wilhelm Ströndle mit einer Kopfbewegung auf, fortzufahren.
    „Die Schiffbrüchigen wurden, da der Küstenstreifen zum Territorium des Nizzam von Japore gehörte, landeinwärts transportiert und fanden im Palast des Nizzam zu Bangapor gastliche Aufnahme.“
    „Wie im Roman!“ seufzte Charlotte hingerissen.
    „Während die anderen Geretteten die Stadt Bangapor nach einiger Zeit verließen, entschloß sich J. Chr. Ströndle, einem Angebot des Nizzam von Japore zu folgen, der verschiedener Bauprojekte wegen europäische Handwerker und Ingenieure dringend brauchte. In kurzer Zeit gewann J. Chr. Ströndle das Vertrauen des Nizzam in solchem Maße, daß der Herrscher ihm einen Hoftitel gab und ihn zum verantwortlichen Leiter aller seiner technischen Unternehmen machte. Diese Stelle behielt J. Chr. Ströndle bis zum Jahre 1856, in dem der Nizzam von Japore starb, ohne einen Erben zu hinterlassen. Die Maharani von Japore, seine Gattin, trat mit Unterstützung der englischen Krone die Nachfolge an und bestieg nach kurzen Kämpfen, die sie glücklich beenden konnte, im Jahre 1857 den Thron von Japore. Johannes Chrysostomus Ströndle scheint sie bei den internen Machtkämpfen, die mit der Niederlage und dem Tode der übrigen Thronanwärter endeten, nachdrücklich und vielleicht sogar entscheidend unterstützt zu haben. Die Maharani war, als der Nizzam von Japore starb, den Berichten nach eine noch junge und sehr schöne Frau. Sie berief noch im Jahre ihres Regierungsantrittes J. Chr. Ströndle in eine Stellung, die der eines europäischen Innenministers und Schatzkanzlers entspricht...“
    „Kinder, Kinder!“ murmelte Werner und faltete die Hände, „und das war unser Urgroßvater!“
    „...und ließ sich im nächsten Jahr, 1858, J. Chr. Ströndle in einer geheimgehaltenen Zeremonie morganatisch antrauen.“
    Alle starrten in atemloser Spannung auf Wilhelm Ströndles Mund; Martha hatte rote Flecken im Gesicht. „Morganatisch...“flüsterte sie, „das heißt doch...“
    „Zur linken Hand!“ ergänzte Werner sachkundig.
    „Ist das nun richtig verheiratet oder nicht?“ fragte Charlotte erregt und glühend.
    „Ich glaube schon, — aber irgendein Haken war dabei. Früher haben Könige und Fürsten morganatisch geheiratet, wenn die Frauen nicht standesgemäß waren.“
    „Das ist doch alles völlig wurscht“, mischte sich Christa ein, „laßt doch den Vati endlich weiterlesen!“
    „Diese morganatische Ehe wurde im Jahre 1861 durch einen Staatsvertrag als rechtmäßige Ehe sanktioniert, so daß nach einem eventuellen früheren Ableben der Maharani die Thronfolge zwar nicht für Johannes Chr. Ströndle, wohl aber für die aus seiner Ehe entstammenden Kinder gesichert war. Ferner bestimmte dieser Vertrag, daß J. Chr. Ströndle im gleichen Falle die Regentschaft bis zur Volljährigkeit des Thronerben zu führen habe. Tatsächlich gebar die Maharani im Jahre 1862 einen Sohn. Diese Geburt scheint der Anlaß dafür geworden zu sein, daß die geheimen Konspirationen innerhalb des Palastes, die wahrscheinlich von den Fürsten der Nachbarstaaten heimlich unterstützt wurden, immer mehr Boden gewannen. Im Jahre 1865 brach in Japore eine offene Revolution aus, in deren Verlauf die Maharani und der dreijährige Thronfolger ermordet wurden. Johannes Chrysostomus Ströndle versuchte zu fliehen, wurde von den Aufständischen jedoch verfolgt und mit einigen Europäern, hauptsächlich Ingenieuren und Leuten seiner

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