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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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einige Zeit in Anspruch nehmen kann, so erlaubt sich der Unterzeichnete dennoch, Ihnen über diese amtliche Mitteilung hinaus seinen Glückwunsch zu einem Ereignis auszusprechen, das wohl nicht gerade alltäglich genannt werden kann. — John F. Fullard, Sekretär beim Lord High Treasurer.“
    Werner las, aber es klang, als traue er seiner eigenen Stimme nicht, und sein Blick wanderte zwischen dem Schriftstück und den Gesichtern seiner Angehörigen hin und her, als fürchte er, sie könnten wie in einem Traum zu Fratzen oder Wolken zerfließen. Sie starrten ihn genauso an, und Wilhelm Ströndle wackelte mit dem Kopf, seine Augen waren wie blind, und er flüsterte in irrer Wiederholung: „Nein — nein — nein — nein...“
    „Herrgott!“ brach Werner los, „so sagt doch endlich etwas! So tut doch endlich etwas! So bewegt euch doch wenigstens! Es ist ja nicht zum Aushalten! Man wird ja verrückt, wenn man euch ansieht!“
    Das war ein neuer Ton in der Familie, den der junge Mann da anschlug, aber sie waren alle viel zu betäubt, um daran etwas Besonderes oder Ungehöriges zu finden. Charlotte faßte sich als erste: „Noch einmal!“ flüsterte sie, „wieviel hast du gesagt?“
    Werner überflog den letzten Abschnitt: „Siebenhunderttausend in Banknoten, zwei Millionen in Gold und fünfzehn Millionen in Juwelen...“
    „Aber in englischen Pfunden!“ ächzte Wilhelm Ströndle.
    Seine Feststellung war ein Zeichen dafür, daß er wieder zu sich gekommen war.
    „Mein Gott, mein Gott!“ stöhnte Frau Martha und preßte die Hände gegen ihr Herz; sie sah aus, als täte sie gut daran, das nasse Handtuch, das noch über ihrem Arm hing, sich selber um den Kopf zu legen. Die Flecken in ihrem Gesicht blühten wie Rosen.
    „Dann sind wir ja reich, wie?“ fragte Christa und sah ihre Leute der Reihe nach auskunftheischend an. Niemand antwortete ihr.
    Wilhelm Ströndle schlug die Hände vors Gesicht und beugte sich vornüber, daß seine Nasenspitze fast die Tischplatte erreichte. Es sah aus, als drücke ihn die Last der Millionen nieder.
    Martha ließ die Arme sinken und richtete sich auf. Ihre Nase war schneeweiß, als wäre kein Tropfen Blut unter der Haut, nur die Flecken brannten wie Feuermale auf den Wangen.
    „Und ich glaube es nicht!“ sagte sie wild und starrte dabei zur Decke empor, „ich glaube es einfach nicht!“
    Werner lachte wie ein Irrer auf: „Sie glaubt es nicht.. kicherte er idiotisch, „sie glaubt es einfach nicht, weil es über ihren Verstand geht..Er preßte den Brief gegen seine Brust, „aber da steht es schwarz auf weiß! Mit der Unterschrift eines Staatssekretärs und mit dem Dienstsiegel eines Ministers!“
    „Nein, nein, nein!“ schrie Martha, und sie steigerte das dreifache Nein von Mal zu Mal immer heftiger, „ich glaube es nicht! Ich glaube nicht eher daran, als bis ich das Geld sehe und in der Hand halte...“
    „Zweihundert Millionen in der Hand?“ platzte Werner heraus, seine Stimme überschlug sich dabei in einem wilden Hohngelächter, „sie begreift es nicht! In der Hand, sagt sie — hört es euch nur an! In der Hand... Zweihundert Millionen! Das ist ein Zimmer voll Geld, Unsinn — das ist ein ganzes Haus voller Geld, vom Keller bis zum Dach mit Säulen silberner Fünfmarkstücke vollgestapelt — ach, was sage ich — , das ist eine Schiffsladung voll Geld, und nur noch mit dem Bagger zu bewältigen...“Seine Augen glühten, und nicht nur die beiden Mädel, sondern auch sein Vater hingen wie fasziniert an seinen Lippen. Die plastische Vorstellung dieser silbernen Berge, die einen Schiffsrumpf wie Kies füllten, berauschte sie.
    „Bis wir es in der Hand halten!“ wiederholte die Mutter starr.
    „Nun ja“, fiel Wilhelm Ströndle ein, „aber wenn es auch zwei oder sogar drei Jahre dauern sollte, — die Millionen sind uns sicher. Daran gibt es keinen Zweifel. Und in der Zwischenzeit..
    „Was ist in der Zwischenzeit?“ unterbrach ihn seine Frau.
    Er zögerte ein wenig, ganz wohl schien ihm dabei selber nicht zu sein: „Hm, — man könnte einen Kredit aufnehmen..
    „Ein lumpiges kleines Milliönchen, he?“ fragte sie lauernd und böse, „damit wir uns ein bißchen im Millionärsleben üben, wie?“
    „Du übertreibst es gleich immer…“, murmelte er schwach und sah sich im Kreise seiner Familie nach Unterstützung um. Der Gedanke an einen Vorschuß schien zumindest Charlotte und Werner gar nicht so übel zu sein, aber sie standen zwischen den Feuern und

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