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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Pfanne voll Röstkartoffeln. Du kannst auch zwei Salatköpfe besorgen.“
    „Aber sei mit dem Öl sparsam!“ warf Werner ironisch ein. Er war inzwischen in die Hose und ins Sporthemd geschlüpft und fuhr mit Boxstößen in die Ärmel seiner Cordjacke.
    „Und sei pünktlich, Christelchen“, bat Martha besorgt, „du weißt doch, wie Papa sich anstellt, wenn das Essen nicht mit dem Glockenschlag halb eins auf dem Tisch steht.“
    „Verlaß dich darauf, Mama, ich mach es schon richtig.“
    Im Schlafzimmer stand das Fenster weit offen, und die Morgensonne, die schon hoch über die Hügel geklettert war, warf eine breite Lichtbahn über die Betten. Wilhelm Ströndle stand vor dem Spiegel und knüpfte seine Krawatte. Ihren Morgengruß erwiderte er mit einem Brummton, der heute, weil es Montag war, besonders rostig und kritisch klang. Was konnte ihm die Woche schon anderes bringen als Ärger und Verdruß? Mahnbuchhal-ter... es war der unangenehmste Posten, den es in der Firma gab.
    Er sah noch immer gut aus, obwohl sich das Haar über der Stirn zu lichten und an den Schläfen zu ergrauen begann. Er wirkte nicht älter als fünfzig, aber er fühlte sich älter. Die sitzende Lebensweise bekam ihm nicht, sie drückte auf seine Schultern und auf seine Haltung.
    Er hängte sich die Jacke über die Schultern. Martha war inzwischen in das schwarz-grün gestreifte Kleid geschlüpft, der Rock war glockig geschnitten und betonte mit dem kurzen Bolero über dem grünen Mieder ihre immer noch schlanke Taille und die üppige Kurve der Brust. Wilhelm Ströndle warf ihr durch den Spiegel einen Blick zu, den sie auffing und mit einem kleinen Lächeln erwiderte. Hm...! knurrte er. Es war eine Verständigung ohne Worte und hieß ungefähr: Weiß der Teufel, du siehst noch immer lecker und appetitlich aus, — aber mit mir ist nichts mehr los, kein Mumm und kein Schwung dahinter!
    - Sie antwortete mit einem kleinen Schnalzgeräusch der Zunge: Rede dir nichts ein, jünger wird keiner von uns, und du gefällst mir gerade so, wie du bist.
    Er tätschelte ihren vollen Arm, sie verließen einträchtig das Zimmer und fanden die drei Kinder um den Küchentisch versammelt. Auch Charlotte, die Älteste, dreiundzwanzig Jahre alt und im Aussehen die jüngere Ausgabe ihrer Mutter, hatte sich inzwischen eingefunden. Sie war Schneiderin, arbeitete in dem besten Modeatelier der Stadt und bereitete sich auf ihre Meisterprüfung vor. Ihr Wunschtraum war es, ein paar Jahre in einem der großen Düsseldorfer oder Berliner Modehäuser den letzten Schliff zu bekommen und sich später selbständig zu machen. Sie besaß nicht die zarte Schönheit ihrer Schwester Christa, sie war robuster in den Zügen und robuster in den Formen, aber sie besaß eine tadellose Figur und hatte ihre Firma auf Modeveranstaltungen schon oft als Mannequin mit Erfolg vertreten.
    Es war sieben Uhr. Martha schenkte den Kaffee ein. Wilhelm Ströndle nahm die Zeitung zur Hand, überflog die politischen Schlagzeilen, kommentierte sie brummend oder mit den Lauten eines nervösen Gelächters, als fürchte er, das Unheil aus dem Osten bräche in der nächsten Sekunde über diese friedlich kauende und schlürfende Tischrunde, und ging zur letzten Seite mit den Todesanzeigen über. Nach den Todesanzeigen kam das Güterrechtsregister an die Reihe. Und dann ging er an die Konkurse. Diese amtlichen Verlautbarungen veranlaßten ihn zu besonders ironischen Bemerkungen. „Ah, schau einer an! Treptow & Söhne! Na, das hat ja ein Blinder kommen sehen! Seit Jahren wacklig auf den Beinen, aber einen Dreihunderter Mercedes!“ Er stockte plötzlich. Merkwürdig, es war ihm, als hätte er beim Überfliegen der Seite seinen eigenen Namen gesehen. Ströndle... nein, nein, es mußte ein Irrtum sein. Eine Firma Ströndle gab es überhaupt nicht, und seinen Namen seines Wissens in der ganzen Stadt nur einmal.
    Und dann fand er ihn doch wieder! Es war kein Irrtum. Ziemlich fett gedruckt las er an der Spitze der amtlichen Bekanntmachungen des Stadtanzeigers einen Aufruf.
    „Johannes Chrysostomus Ströndle...!“ stieß er hervor, und es war etwas in seiner Stimme, was seine Familie veranlaßte, das Kauen und Schlucken für einen Augenblick zu unterbrechen.
    „Was gibt es? Was ist los? Was hast du?“
    Wilhelm Ströndle schob die Brille von der Stirn wieder auf die Nase: „Hört einmal zu! Da steht ein Aufruf in der Zeitung. Ich lese ihn euch vor:

    Direkte Nachkommen oder Verwandte des am 11. Mai 1822 zu

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