Die indische Erbschaft
wünsche besonders die Schwierigkeiten kennenzulernen, die Mr. Fullard in seinem ersten Schreiben erwähnt habe.
Er setzte ein beleidigtes und unnahbares Gesicht auf, als Martha zu ihm trat, aber sie war entschlossen, sich mit ihm zu versöhnen.
„Kann ich dir einen Kaffee machen, Willi?“
„Nein, danke!“
„Sei nicht so stachlig und hab ein wenig Geduld mit mir. Ich gebe zu, ich habe nicht deinen Kopf, und ich brauche Zeit, um mich in die neuen Verhältnisse hineinzufinden.“
„Du stellst dich aber auch schon besonders schwerfällig an. Statt dem Schicksal dankbar zu sein, das uns solch ein Riesenvermögen in den Schoß wirft, läufst du mit einem Gesicht herum, als ob über uns ein furchtbares Unglück hereingebrochen sei!“
Sie legte eine Hand auf seine Schulter, er machte eine Bewegung, als belästige ihn die Berührung. „Weil ich mich fürchte, Willi“, sagte sie sanft. „Ich bin jetzt vierundvierzig — und da beginnt für die Frau das Alter. Es nützt nichts mehr, daß man sich die grauen Haare ausreißt oder sie womöglich färbt. Die Falten lassen sich nicht aus dem Gesicht bügeln. Und ich spüre es auch sonst. Aber du mit deinen neunundvierzig bist gerade in den besten Jahren. Dich machen die grauen Schläfen erst interessant. Und wenn du dann noch ein Millionenvermögen besitzt — Ich kenne doch die Frauen, Sie werden auf dich losgehen wie die Wespen auf den Honig...“
„Ach — Unsinn!“ brummte er, aber die Vorstellung schmeichelte ihm, und er wehrte sie nicht mehr ab, sondern legte den Arm um ihre mollige Hüfte und drückte sie an sich heran. „Was du für ein dummes Zeug daherredest, Martha! Du weißt genau, daß mir alle Weiber der Welt gestohlen bleiben können. Du warst die einzige, und du bleibst für mich die einzige...“ Er zog ihren Kopf zu sich nieder und wollte sie küssen, aber das Läuten der Flurglocke verhinderte die Zärtlichkeit.
„Wer das schon wieder sein mag!“ brummte er ärgerlich.
Sie hörten, daß Christa die Tür öffnete und nach kurzer Zeit bei ihnen anklopfte: „Draußen stehen zwei Herren, die dich sprechen möchten, Papa!“ Sie gab ihm die Karte, die ihr einer der Besucher überreicht hatte.
„Salmannsberger & Windt - kenne ich nicht, aber laß sie in Gottes Namen hereinkommen!“
Martha ging in die Küche zurück, und er rückte seine Krawatte zurecht, um den Besuch zu empfangen. Die Herren Salmannsberger und Windt besaßen eine Ziegelei, die durch den Konkurs ihrer Hauptschuldner in Schwierigkeiten geraten war. Ein kleines Darlehen von zweihunderttausend Mark genügte vollkommen, um ihnen wieder auf die Beine zu helfen, ein Darlehen gegen Zins und Sicherheit selbstverständlich, und sie waren natürlich auch bereit, ihre Unterlagen und Bücher vor Wilhelm Ströndle offen auszubreiten.
Wilhelm Ströndle hob bedauernd die Hände. Sie waren leider ein wenig zu früh gekommen. Eigentlich stand er schon mit einem Fuß auf dem Frankfurter Flughafen, um nach London zu fliegen. Prinzipiell hatte er nichts dagegen, einer an sich solventen Firma, die unverschuldet in Schwierigkeiten geraten war, hilfreich unter die Arme zu greifen. Aber vermutlich würde es in vier bis sechs Wochen für die Herren zu spät sein, und früher könne er diese an sich bescheidene Summe leider nicht flüssig machen. Er deutete auf den Brief, der noch ungeschlossen auf dem Tisch lag: „Sie sehen, meine Herren, ich habe mich gerade bei Sir Fullard, dem Staatssekretär des britischen Lordschatzkanzlers, angemeldet. Er erwartet mich. — Im Augenblick aber tut es mir aufrichtig leid, Ihnen nicht dienen zu können.“
Herr Windt wechselte mit Herrn Salmannsberger einen stummen Blick: „Und Sie meinen, verehrter Herr Ströndle, Sie könnten nach vier bis sechs Wochen eventuell...“
„Sprechen Sie ruhig wieder bei mir vor, meine Herren, und entschuldigen Sie mich jetzt, ich habe noch eine Menge Reisevorbereitungen zu treffen.“
Er brachte die Herren persönlich zur Tür und roch den Kaffee, den Martha inzwischen gebrüht hatte.
12.
Ohne die Antwort aus England abzuwarten, betrieb Wilhelm Ströndle in den nächsten Tagen eifrig seine Reisevorbereitungen. Einen Paß besaß er bereits, das Einreisevisum erhielt er in wenigen Tagen, und ebenso einfach war die Beschaffung der Devisen, für die ihm seine Firma dreitausend Mark neben der Flugkarte zur Verfügung stellte. Oskar Vollrath zeigte sich von seiner großzügigsten Seite. Am liebsten hätte er Wilhelm Ströndle
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