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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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sei. Sie war keine gute Schauspielerin, sie machte es so schauerlich, daß Helmuth Krönlein nach der ersten Verblüffung sofort begriff, was das zu bedeuten hatte. Anstatt sich den Schädel an einer Mauer einzurennen oder sich in einem Gully zu ertränken, was Charlotte in ihrer romantischen Vorstellung von einem enttäuschten Liebhaber vielleicht erwartet hatte, war das letzte, was sie von ihm sah, ein grinsendes Gesicht und sein Zeigefinger, der sich mit Drehbewegungen in seine Schläfe bohrte. Und dazu spielte Barnabas von Gezy im Radio schwermütige Zigeunerweisen.
    Charlotte zog den linken Arm hinter Ronnys Schulter enttäuscht zurück. Die ganze Freude an der Fahrt war ihr verdorben. Am liebsten hätte sie ihn gebeten, wieder umzukehren und sie vor der Haustür abzusetzen. Ronny schien von der Szene nichts bemerkt zu haben.
    „Sie sind auf einmal so nachdenklich und ernst..
    „Ich bin seit Tagen nachdenklich, Herr Vollrath.“
    „Nicht Vollrath! Ronny — ich bitte Sie darum!“
    „Also schön, auch Ronny, wenn Sie soviel Wert darauf legen.“
    „Und was macht Ihnen Kopfzerbrechen, wenn ich fragen darf?“
    „Ach, Ronny“, seufzte sie auf und betrachtete sich im Spiegel ihrer Puderdose, „weil auf einmal alle Leute so freundlich zu mir sind und weil ich pro Tag von Bekannten und Unbekannten durchschnittlich ein Dutzend Heiratsanträge bekomme.“
    „Was Sie nicht sagen!“ murmelte er und nahm eine Kurve mit soviel Kraftaufwand, als hätte er einen riesigen Lastzug samt Anhänger um eine scharfe Ecke zu bringen.
    „Ja — und deshalb ist es so beruhigend, mit Ihnen zusammen zu sein, Ronny. Sie haben es glücklicherweise nicht nötig, sich nach einer Frau mit Vermögen umzusehen. Als Christa mir sagte, daß Sie unten auf mich warten, um mich abzuholen, da dachte ich mir: endlich ein Mann, der keine ernsthaften Absichten hat! Wissen Sie — ein Dutzend Körbe pro Tag... manchmal ist es direkt ein wenig peinlich — von der Anstrengung ganz abgesehen.“
    „Gewiß, gewiß...“, stotterte er und trat aufs Gas und hatte mächtig viel zu tun, um den Wagen ohne Karambolage durch den Nachmittagsverkehr zu steuern.
    „Können Sie sich vorstellen“, fuhr Charlotte unerbittlich fort, „daß mir schlecht wird, wenn ein Mann mir mit den alten Platten daherkommt, was ich doch für ein reizendes und apartes Geschöpf sei und daß er sich schon immer eine Frau mit etwas auseinanderstehenden Schneidezähnen und mit der Schuhnummer vierzig erträumt habe?“
    „Café Gluth, Mozart oder Hitzinger?“ fragte er leicht verstört.
    „Mozart, da können wir im Garten sitzen — aber hoffentlich sind Sie dann etwas gesprächiger als im Wagen...“
    Sie lehnte sich tief ins Polster zurück und konnte hoffen, daß Ronny Vollrath sie zum ersten und zum letzten Male in seinem roten Sportwagen abgeholt hatte.
    Daheim berichtete Christa ihrer Mutter, in der Orthopädischen Klinik habe Professor Nadolny, der sie schon während ihrer Krankheit behandelt hatte, sie nach der Unterwassermassage untersucht und eine erhebliche Besserung ihres Zustandes festgestellt. Entweder hatte er die Geschichte der Erbschaft im Stadtanzeiger nicht gelesen oder den Namen des Millionenerben nicht mit Christas Vater in Zusammenhang gebracht. Nun, nachdem sie es ihm erzählt hatte, was geschehen war, hatte er ihr aufgetragen, daheim zu bestellen, daß er den Besuch ihres Vaters erwarte, um mit ihm über ihre Einweisung in ein Sanatorium zu sprechen. „Er hat gesagt, er möchte dafür garantieren, daß ich nach einem halben Jahr ohne Stütze laufen kann und daß nach zwei oder drei Jahren kein Mensch mehr unterscheiden kann, welches von den Beinen gelähmt war!“
    Martha preßte die Kleine heftig an ihre Brust: „Das wäre das Beste, was uns diese ganze Erbschaft bringen kann. Aber du mußt es mit Papa besprechen, Kind — oder warte einmal, ich gehe selber zu ihm hinüber.“
    Wilhelm Ströndle hatte seinen Brief an Mr. Fullard vom Lord High Treasurer bereits beendet. Er hatte geschrieben, daß ein Auftrag seiner Firma ihn nach London führe und daß er diese Gelegenheit gern dazu benutzen würde, sich Mr. Fullard vorzustellen und sich nach dem Stande seiner Angelegenheiten zu erkundigen. Zwar habe er der vor einigen Tagen abgesandten offiziellen Anmeldung seiner Erbschaftsansprüche nichts hinzuzufügen, da er als Ausländer aber mit den englischen Rechtsverhältnissen nicht vertraut sei, hoffe er auf Mr. Fullards Rat und Unterstützung und

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