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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Schweiß von der Stirn: „Du hast mir einen schönen Schrecken eingejagt...!“
    Sie schloß die Augen und spürte seine vertraute Hand auf ihrem Kopf, das einschläfernde und beruhigende Kraulen der Fingerspitzen im Haar, das sie so gern hatte, wenn sie nebeneinander einschliefen; aber sie wußte, daß diese Zeit für immer vorbei war. Sie wußte, daß kein Nerzpelz und kein Schmuck es ihr gestatten würden, sich so zu verwandeln, wie er sich verwandelt hatte. Sie wußte, daß sie, wo er auch immer in der Zukunft seine Traumpaläste wahr machen würde, stets die bleiben würde, die sie heute war. Eine unbedeutende, einfache Frau.
    „Du mußt dich gründlich untersuchen lassen, Martha“, sagte er noch immer beunruhigt, „vielleicht hängt es doch mit dem Herzen zusammen. Alle Leute haben es heutzutage mit dem Herzen. Es ist so etwas wie eine Zeitkrankheit.“
    „Mach dir nur keine Sorgen, Willi, mir fehlt nichts. Und laß dich nicht aus deinem Programm herausbringen. Du wolltest doch mit Christa zu Professor Nadolny gehen. — Aber zieh dich für diesen Besuch lieber um, sonst denkt er womöglich, wir haben die Millionen schon, und rupft uns, daß uns die Augen tropfen.“
    „Am liebsten möchte ich das alte Zeug verbrennen!“ murmelte er; „ich kann es nicht mehr sehen. Ich habe das Gefühl, daß es mich herunterdrückt...“
    Sie ließ sich nicht anmerken, was sie bei seinen Worten empfand: „Also schön“, nickte sie mit einem Versuch zu lächeln, „geh schon, und wahrscheinlich wäre auch Christa sehr enttäuscht, wenn du dich zurückverwandeln würdest. — Und zieh auch die neuen Schuhe an, damit du sie ein wenig eingehst!“
    „Gut, daß du daran denkst — ich bin an den Füßen ohnehin ziemlich empfindlich geworden. Bürofüße... Na, die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei!“ Er streifte die alten Schuhe ab und bewegte die Zehen in den Socken, während er die neuen Schuhe auspackte. „Übrigens habe ich dem Schneider nur dreihundert angezahlt, damit du genügend Geld im Hause hast, wenn ich unterwegs bin. Wahrscheinlich werde ich gerade um den ersten September herum in London sein. Vollrath überweist mein Gehalt auf das Konto, das ich mir bei der Handelsbank eingerichtet habe. Es läuft dort auch auf deinen Namen, Martha. Du kannst jederzeit über das Geld verfügen.“
    „Ich komme mit dem Geld aus, das du mir gegeben hast.“
    „Es können unvorhergesehene Ausgaben kommen. Wir werden ja sehen, was Professor Nadolny mit Christa unternehmen will.“
    Professor Nadolny empfahl Wilhelm Ströndle, Christa vorläufig einmal für drei Monate in ein Sanatorium im Taunus zu schicken. Dort hatte sein Studienkollege Dr. Froese mit Thermalbehandlungen und Spezialmassagen in Fällen, die so günstig wie bei Christa lagen, großartige Erfolge erzielt. Die Kosten waren nicht allzu hoch. Zufällig hatte der Professor in den letzten Tagen mit Dr. Froese telefonisch wegen einer anderen Patientin gesprochen und erfahren, daß in dem Sanatorium zur Zeit noch einige Plätze frei seien.
    Auch ohne Christas flehende Blicke hätte Wilhelm Ströndle nicht gezögert, diesen Vorschlag anzunehmen. „Also gut, Herr Professor, melden Sie Christa, bitte, bei Dr. Froese an. Ich fahre in den nächsten Tagen nach Frankfurt und bringe Christa bei dieser Gelegenheit selber hin.“ Er warf einen Blick auf den Kalender, der über dem Schreibtisch an der Wand hing, und plötzlich stand sein Entschluß fest, mochte die Antwort aus London kommen oder nicht: „Ich fahre am Montag, es ist der erste September.“
    Sein Entschluß überraschte Martha am meisten, denn sie hatte nun gerade noch drei Tage Zeit, um Christas Wäsche für den Sanatoriumsaufenthalt in Ordnung zu bringen. Da Charlotte noch Urlaub hatte, setzte sie sich an die Nähmaschine und änderte für Christa aus ihren eigenen Garderobebeständen zwei Kleider ab.
    Martha beobachtete Charlotte mit heimlicher Sorge. Die Schlaftabletten, die sie in ihrer Nachttischschublade für den Fall verwahrte, daß Wilhelm Ströndles Schnarchkonzerte gar zu ohrenbetäubend wurden, verschwanden zusehends aus dem Glasröhrchen, bis sie dahinterkam, daß Charlotte neuerdings zu ihren Schlafmitteln Zuflucht nahm. Aber sie wagte es nicht, Charlotte zur Rede zu stellen. Und da nützte ja auch kein Trost und kein guter Zuspruch. Mit solchen Geschichten mußte jeder allein fertig werden. Mochte Charlotte ihre Schlaftabletten nehmen, solange sie nicht gerade ein Dutzend auf einmal

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