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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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„Möchtest du in Frankfurt etwas trinken oder ein Stück Kuchen essen? Wir haben eine gute halbe Stunde Zeit.“
    Die Kleine spürte wohl, daß ihm daran lag, mit ihr noch ein paar Worte zu sprechen: „Gern, Papa...“
    „Dann setzen Sie uns also vor dem Café Kranzler ab und fahren Sie nach zwanzig Minuten wieder vor, Wuttig!“
    „Jawohl, Herr Ströndle.“
    Sie fanden im Kranzler auf dem Rundbalkon einen hübschen Platz mit dem Blick auf Eingang und Treppe. Christa war sehr beeindruckt, die noble Ausstattung des Cafes stellte alles in den Schatten, was sie bisher gesehen hatte. Auch Wilhelm Ströndle bewegte sich zum erstenmal in solch einem großstädtischen Rahmen, aber er streckte seine Beine unter den Tisch, als ob Lokale dieses Stils seine tägliche Krippe seien. Er nahm eine Pastete und ein Glas Portwein und bestellte für Christa das Mocca-Sahne-Eis, das sie sich wünschte. Hier überreichte er Christa den Brief an Dr. Froese, der auch den Scheck enthielt.
    Er räusperte sich: „Ich wollte ursprünglich, daß Mama dich begleitet. Platz genug hätten wir im Wagen gehabt. Aber ich erfuhr die Änderung der Abflugzeit zu spät, erst am Sonntagvormittag...“ Er hüstelte und trommelte mit den Fingerspitzen auf den Tisch. Es sollte wohl heißen: als es den Krach bereits gegeben hatte.
    Christa nickte stumm. Ihre Wimpern zitterten wie Schmetterlingsflügel, und die Schlagader am Halse pochte sichtbar unter der Haut: „Willst du uns wirklich verlassen, Papa — ich meine, für immer?“
    Er beugte sich zu ihr hinüber und streichelte ihre Hand. „Unsinn, Christl — ich verlasse niemand, der mich nicht verläßt. Oder willst du nichts mehr von mir wissen?“
    „Nein, Papa, natürlich nicht! Aber du hast doch gesagt, daß du dich von uns trennen wirst. Und nun will Werner zum Theater gehen, Und Charlotte will ihren Helmuth Krönlein heiraten, und Mama...“
    „Was ist mit Mama?“
    „Ich glaube, sie weiß selber nicht, wo sie hingehört...“
    „So?“ sagte er mit schmalen Lippen, „sie weiß nicht, wo sie hingehört?“
    „Das hat sie nicht gesagt!“ rief Christa schnell, „aber man spürt doch, was für Gedanken und Sorgen sie sich macht. Und ich wäre so froh, wenn ihr beide wieder miteinander gut würdet!“
    Er trank den Rest aus und drehte das Portweinglas zwischen den Fingern: „Das liegt nicht bei mir, sondern bei Mama!“ sagte er mit einiger Schärfe, „sie muß wissen, zu wem sie gehört.“
    „Aber du könntest ihr ja auch ein wenig entgegenkommen...“
    „Ich habe versucht, Mama klarzumachen, daß diese Erbschaft mehr bedeutet als eine sorglose Zukunft und ein angenehmes Leben. Ich fürchte leider, sie versteht mich nicht, oder sie will mich nicht verstehen.“
    Er warf einen Blick auf seine Uhr und klopfte an das Glas, um zu zahlen. „Wir müssen aufbrechen, Wuttig fährt in wenigen Minuten vor. Aber nun mach kein trauriges Gesicht, Christi, und mach dir keine Sorgen. Charlotte und Werner sollen sehen, wie sie mit ihrem Leben ohne mich fertig werden. Was an mir liegt, um mit Mama wieder in ein gutes Einvernehmen zu kommen, will ich tun!“
    Christa lächelte ihn an: „Oh, ich bin sehr froh, daß wir noch miteinander gesprochen haben.“
    Er zahlte, und sie erhoben sich. Für einen Augenblick legte er den Arm um Christas Schultern und zog sie an sich heran: „Ja, es war gut — und werde mir gesund, meine Kleine. Am Flughafen brauchst du mich nicht zur Maschine zu begleiten. Spätestens in zehn Tagen besuche ich dich.“
    Wuttig fuhr auf die Minute pünktlich vor, und eine Viertelstunde vor dem Start nahm Wilhelm Ströndle seinen Platz in der großen Maschine ein, die sich vibrierend gegen die Bremsklötze stemmte. Die Plätze waren mit wenigen Ausnahmen besetzt, aber in den folgenden Minuten wurden auch sie eingenommen, auch der Gangplatz neben ihm. Es war eine auffallend gut aussehende Frau in einem eleganten dunkelblauen Kostüm, die sich bei der Stewardeß darüber beklagte, daß sie keinen Fensterplatz mehr erhalten hatte. Wilhelm Ströndle löste den Gurt, mit dem er sich bereits für den Start angeschnallt hatte, und bot ihr höflich seinen Platz an. Es war ihr sehr peinlich, durch ihre Bemerkung den Kavalier in ihm herausgefordert zu haben, aber nachdem er ihr versichert hatte, daß es ihm völlig gleich sei, auf welchem Platz er die wenigen Stunden verbringe, nahm sie sein Angebot dankend an. Erst, als er zurücktrat, um sie vorbeizulassen, sah er, wie groß und elegant

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