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Die indische Erbschaft

Die indische Erbschaft

Titel: Die indische Erbschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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inmitten blauer Scherben und einer Milchlache, die langsam unter das Büfett kroch.
    In der schmalen Kammer saßen sich die vier auf den Betten der Mädels stumm gegenüber, hörten das Trommeln verebben und hörten, wie Wilhelm Ströndle die Küche verließ und sich im Wohnzimmer einschloß. Er drehte den Schlüssel zweimal herum.
    „Läßt er sich auch von mir scheiden?“ fragte Christa verzagt. „Und ich habe mich doch so aufs Sanatorium gefreut...“
    „Du fährst!“ sagte die Mutter energisch. Die unfreiwillige Komik in Christas Frage schien nicht nur ihr, sondern auch Werner und Charlotte völlig entgangen zu sein.
    „Na schön“, murmelte Charlotte, „ich heirate sowieso!“
    „Wen?“ fragte Martha überrascht.
    „Helmuth natürlich! — Die Person, die du bei ihm angetroffen hast, Mama, war gar keine Person, sondern ein Modell, das er für seine Plakate brauchte. So war das, Mama, du darfst es mir wirklich glauben! Und enterbt bin ich auch — es konnte für mich gar nicht besser kommen.“
    „Na, und mich ist Herr Ströndle auch los!“ sagte Werner; „endlich kann ich dir ja die Wahrheit sagen, Mama. Die Juristerei hängt mir zum Halse heraus, und ich habe im letzten halben Jahr keine Vorlesung mehr besucht. Dafür habe ich vor acht Tagen ein Angebot von der Hessischen Wanderbühne bekommen, mich in Frankfurt vorzustellen. Sie klappert die kleineren Städte und Schulen ab und spielt hauptsächlich Klassiker. Das ist mein Repertoire. Und irgendwo muß ich ja schließlich anfangen.. Der Rauswurf kam mir gerade recht!“
    Martha beugte sich tief über ihren Schoß und faltete die Hände. Jetzt war der Augenblick gekommen, vor dem sie sich gefürchtet hatte. Die Kinder liefen davon. Und sie blieb allein zurück. Und sie spürte das Herz wie einen Stein in der Brust.
    „Selbstverständlich kommst du zu uns!“ sagte Charlotte, als hätte sie die Gedanken ihrer Mutter erraten.
    „In euern Pavillon?“
    „Natürlich nicht in den kleinen Pavillon! Den behält Helmuth als Atelier. Wir bleiben hier in der Wohnung. Du bekommst das große Zimmer, und wir nehmen die beiden anderen. Herr Ströndle wird sich ja sowieso seinen eigenen Palast bauen...“
    „Redet nicht so respektlos von eurem Vater!“ sagte Martha verstimmt, „er bleibt es, auch wenn er uns davonläuft.“
    „Und ich?“ fragte Christa, „wo bleibe ich?“
    „Du kannst ja als Verbindungsmann bei unserm König Lear bleiben“, meinte Werner. „Du bist sein liebstes Kind — des Alters Trost hofft er vielleicht von deiner Pflege...“
    „Er hat uns alle rausgeschmissen, in Bausch und Bogen!“ sagte Charlotte zornig, „und er soll in seinem eigenen Saft schmoren! Natürlich bleibt Christa bei uns! Ich will von Herrn Ströndle keinen Pfennig haben, aber für Mama und für Christa soll er zahlen, daß ihm die Augen tropfen! Und dann nehmen wir eben eine größere Wohnung. Ich mache sowieso eine Werkstatt auf. Christa kann bei mir schneidern lernen, und Mama führt uns den Haushalt.“ Sie ballte die Finger und schlug sich aufs Knie: „Zum Teufel mit seinen großartigen Sprüchen und mit seinen Millionen! Ich will glücklich werden, und ich werde glücklich werden! Wir alle werden glücklich sein, auch du, Mama!“
    Martha gab es auf. Die Kinder waren ihr über den Kopf gewachsen. Sie seufzte und verließ die Kammer, um in der Küche die Scherben zusammenzukehren. Ihr Rücken war nicht mehr so gerade wie früher. Vor der Schwelle des Wohnzimmers lag ein großer weißer Zettel. Sie bückte sich und hob ihn auf. In dem dämmerigen Licht des Korridors las sie folgende lapidare Botschaft: Schlafe heute und morgen im Wohnzimmer. Esse im Lokal. Abfahrt Montag sieben Uhr. Nehme Christa mit. Wünsche keinen Abschied.
    Sie nahm den Zettel in die Küche mit und malte mit dem Bleistiftstummel, mit dem sie ihr Haushaltbuch führte, neun Buchstaben unter die Zeilen und schob den Zettel wieder durch den Schwellenspalt ins Wohnzimmer hinein. Die neun Buchstaben waren: BLOEDMANN — und ein Ausrufezeichen stand dahinter.

13.

    Zum letztenmal prüfte Wilhelm Ströndle seine Papiere. Es war alles in Ordnung. Der Paß, die Flugkarten und die Devisen lagen in der Brieftasche, die Mappe mit den Originalen der Familienpapiere in dem kleinen, eleganten Lederkoffer, den er mit ein paar Hemden und Schlafanzügen gefüllt auf die Reise mitnahm.
    In der Küche kochte Martha für Christa eine Tasse Kaffee. Der alte bestoßene Koffer stand prall gefüllt mit

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