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Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen

Titel: Die Indoeuropäer: Herkunft, Sprachen, Kulturen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Haarmann
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und
elaia
‹Olive› sind vorindoeuropäisch und weisen darauf hin, dass in Alteuropa Weine gekeltert und Oliven geerntet wurden, lange bevor die Indoeuropäer dorthin migrierten. Aufschlussreich sind auch die Substratelemente in Bereichen des Ackerbaus und der verschiedenen spezialisierten Handwerksbereiche, etwa altgriech.
eia
‹Mehl›,
itrion
‹Brot mit Sesamkörnern›,
klibanos
‹Backofen›,
keramos
‹Ton zur Keramikherstellung›,
kaminos
‹Brennofen für Töpfer›,
plinthos
‹Mauer mit einem Sockel aus Naturstein und einem Oberteil aus mit Lehm verschmiertem Flechtwerk› (Haarmann 1995a: 45ff.). Hier handelt es sich nicht um Einzelwörter, vielmehr ließen sich ganze Bezeichnungsinventare speziellerHandwerkssparten erforschen, etwa von Webtechnologie und Textilherstellung. Die Steppennomaden kannten eine elementare Webtechnik zur Verarbeitung von Pflanzenfasern. Die fortgeschrittene Technik der Verarbeitung von aus Wolle gesponnenen Fäden, wie sie seit dem 6. Jahrtausend v. Chr. bei den Alteuropäern verbreitet war, lernten die Indoeuropäer erst im Zuge ihrer Migrationen kennen. Und so bildete sich im Altgriechischen eine vielschichtige Fachsprache aus indoeuropäischen und vorindoeuropäischen Ausdrücken, die sich zum Teil komplementär ergänzten, zum Teil als Synonyme nebeneinander gebraucht wurden (Barber 1991: 278ff.). So gibt es für ‹Wolle› griech.
lenos
neben nicht-ie.
mallos,
für den ‹Webstuhl› aber nur das griech.
histos
und für ‹Schaft› nur das nicht-ie.
stup-.
    11 Alteuropäische Figurinen: «Sitzende Frau» und «Der Denker», ca. 5000 v. Chr.; Hamangia-Kultur/Rumänien (nach Kruta 1993: 84, 85)
    Elementare Bestandteile des griechischen Kulturwortschatzes sind über vielerlei Vermittlungsstufen in unsere modernen Kultursprachen transferiert worden und werden meist für genuin griechischen Ursprungs gehalten. Tatsächlich aber sind die oben erwähnten und zahlreiche andere Wörter Ausdruck der Kultursymbiose, die die Indoeuropäer im Zusammenleben mit der vorgriechischenBevölkerung erfahren haben. Ähnliches gilt für das System der altgriechischen Wortbildung, das eine Reihe von vorgriechischen Formantien aufweist, die in Lexemen wie in Namen auftreten.
    Nun ist zwar dieser indoeuropäisch-alteuropäische Fusionsprozess bisher ausschließlich für das (Alt)Griechische ausführlich dokumentiert worden. Aber auch in anderen Sprachen der Balkanregion sind Nachwirkungen sprachlicher Techniken des Alteuropäischen festzustellen. Nach neueren Erkenntnissen der Namenforschung haben sich bestimmte Residuen der alteuropäischen Substratsprache sogar weit über das altgriechische Sprachstadium hinaus bis in spätere Perioden der sprachlich-kulturellen Entwicklung in der Balkanregion erhalten (Poruciuc 1995: 35ff.). Solche Spuren lassen sich beispielsweise in Personennamen nachweisen, die im Mykenisch-Griechischen, Illyrischen, Thrakischen und in modernen Balkansprachen vorkommen. Hierzu gehören Namen mit den Elementen
An-
(z.B. myken. A-ne-a, illyr. Ana, rumän. Ana, bulgar. Anko),
Ok-
(z.B. myken. O-ke-te-u, alban. Okiq, rumän. Ocut),
On-
(z.B. griech. Onasis, illyr. Onaion, thrak. Onakarsis, bulgar. Onkov) und
Obr-/Opr-
(z.B. myken. O-pe-ra-no, alban. Opari, rumän. Oprescu).
    Inzwischen hat sich ein eigener Forschungszweig entwickelt, dessen Vertreter sich der Untersuchung kulturell-sprachlicher Kontinuität mit Langzeitwirkung widmen. Zusätzlich zu den namenkundlichen Erkenntnissen liegen Ergebnisse zur Folkloristik und zum Kunsthandwerk vor (Poruciuc 2010). Einige Beispiele: In einer Spezialstudie über Tonstempel mit figuralem Design ist der Entwicklungsstrang vom Neolithikum bis in die Neuzeit aufgezeigt worden (Gheorghiu/Skeates 2008). Solche Stempel wurden in der Donauzivilisation dafür verwendet, figurale und abstrakte Motive auf die Haut, auf Textilien und auf Ton zu fixieren. Später dienten die Stempel nurmehr zum Bedrucken von Textilien. Von verschiedenen Tanzformen wie dem Schlangen- und Feuertanz in Bulgarien nimmt man an, dass die Anfänge dieser Traditionen in Alteuropa zu suchen sind (Ilieva/Shturbanova 1997). Und für das in der Donauzivilisation verwendete Zeichenrepertoire lassen sich Nachwirkungen bis in dieEpoche der Entstehung des griechischen Alphabets nachweisen; dies gilt für die sogenannten «Zusatzzeichen» (phi, chi und psi); (Haarmann 2008b).
    12 Figurinen des Typs «Göttin mit erhobenen Armen»
links: Alteuropäische Figurine,

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