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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
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beweisen.«
    Er seufzte. Es war ein resigniertes Seufzen. »Okay. Ich hoffe, dass es dir gelingt.«
    Ich knallte die Tür des Priest Hole hinter mir zu und stapfte los. Ich hatte kein Ziel. Manchmal muss man einfach nur durch eine Tür gehen.
    Mein Dad hatte natürlich recht: Ich habe Großvater verehrt. Es gab bei ihm Dinge, die einfach wahr sein mussten, und dass er ein Ehebrecher war, gehörte nicht dazu. Als ich noch ein Kind war, bedeuteten Grandpa Portmans fantastische Geschichten, dass es möglich war, ein Leben voller Magie zu führen. Selbst nachdem ich aufgehört hatte, ihm zu glauben, umgab ihn noch etwas Geheimnisvolles. Er hatte Schreckliches durchgemacht, die schlimmsten Seiten des Menschen gesehen, und sein Leben wurde bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Aber aus alldem ging er als ehrenwerter, guter und tapferer Mensch hervor –
das
war magisch. Ich konnte also nicht glauben, dass er ein Lügner, Betrüger und schlechter Vater gewesen sein sollte. Denn wenn Grandpa Portman nicht ehrenwert und gut gewesen war, dann zweifelte ich daran, dass es überhaupt jemand sein konnte.
    * * *
    Die Türen des Museums standen offen, und es brannte Licht. Es schien jedoch niemand drin zu sein. Ich war hergekommen, um den Kurator zu suchen, hoffte, dass er etwas über die Geschichte der Insel und ihre Bewohner wusste. Vielleicht konnte er Licht auf das leere Haus und den Verbleib der früheren Bewohner werfen. Ich nahm an, dass er kurz fortgegangen sei – schließlich rannten ihm nicht gerade Besuchermassen die Türen ein. Um die Zeit bis zu seiner Rückkehr totzuschlagen, betrat ich das Heiligtum und sah mir die Ausstellungsstücke an.
    Die Exponate waren in offenen Vitrinen arrangiert, die längs der Wände standen und dort, wo sich früher vermutlich die Kirchenbänke befunden hatten. Die meisten Gegenstände waren langweilig, alles drehte sich um das Leben in einem traditionellen Fischerdorf und das nie enden wollende Mysterium der Viehzucht. Ein Ausstellungsstück fiel jedoch aus der Reihe. Es hatte einen Ehrenplatz in einem kunstvollen großen Kasten auf dem einstigen Altar. Ich kletterte über das davorgespannte Seil und machte mir nicht die Mühe, das Warnschild zu lesen. Der Kasten hatte Seitenwände aus poliertem Holz und einen Deckel aus Plexiglas, so dass man nur von oben hineinsehen konnte.
    Ich beugte mich darüber – und hielt den Atem an. Eine Schrecksekunde lang dachte ich:
Monster!
Vor mir lag eine schwarz verfärbte Leiche. Der eingefallene Körper hatte verblüffende Ähnlichkeit mit den Wesen, die meine Träume bevölkerten, ebenso die Farbe des Fleisches, das aussah, als hätte man es an einem Spieß über dem Feuer geröstet. Da der Körper jedoch nicht durch das Glas geschossen kam und mir an die Gurgel ging, verebbte meine anfängliche Panik. Es war nur ein Ausstellungsstück in einem Museum, wenn auch ein ziemlich makaberes.
    »Wie ich sehe, hast du den ›Alten Mann‹ gefunden!«, rief eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah den Kurator auf mich zueilen. »Du hast das aber gut weggesteckt. Ich habe bei dem Anblick schon erwachsene Männer in Ohnmacht fallen sehen!« Er grinste und hielt mir zur Begrüßung die Hand hin. »Martin Pagett. Ich glaube, ich habe deinen Namen gestern nicht mitbekommen.«
    »Jacob Portman«, sagte ich. »Wer ist das? Das berühmteste Mordopfer von ganz Wales?«
    »Ha! Möglich, dass er auch das ist. Daran habe ich noch gar nicht gedacht. In jedem Fall ist er der älteste Bewohner unserer Insel, in archäologischen Kreisen besser bekannt unter dem Namen ›Cairnholm Man‹. Für uns ist er einfach der ›Alte Mann‹. Über zweitausendsiebenhundert Jahre alt, um genau zu sein, obwohl er erst sechzehn war, als er starb. Im Grunde ist er also ein sehr junger alter Mann.«
    »Zweitausendsiebenhundert?«,
wiederholte ich und betrachtete das Gesicht des toten Jungen, dessen feine Züge hervorragend erhalten waren.
    »Aber er sieht so …«
    »Das passiert, wenn du deine besten Jahre an einem Ort verbringst, an dem es weder Sauerstoff noch Bakterien gibt. Das Moor ist ein richtiger Jungbrunnen – vorausgesetzt, du bist bereits tot.«
    »Dort haben Sie ihn gefunden? Im Moor?«
    Er lachte. »Nicht ich. Die Torfschneider waren es, die beim großen Steinhaufen nach Torf gegraben haben. In den 1970 er Jahren. Er sah so frisch aus, dass sie dachten, auf Cairnholm wäre ein Mörder unterwegs – bis die Cops einen Blick auf das steinzeitliche Messer in

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