Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
Vom Netzwerk:
wurde.
    »Das ist überhaupt nicht cool«, erwiderte sie und schwenkte die Flamme nah genug an mich heran, dass ich spürte, wie viel Hitze sie verströmte. Ich wich aus und blieb ein paar Schritte zurück.
    »So habe ich das nicht gemeint. Es ist cool, dass du das
kannst.
«
    »Wenn du dich korrekt ausdrücken würdest, könnte ich dich auch verstehen«, blaffte sie mich an und hielt inne.
    Wir sahen uns aus gehörigem Sicherheitsabstand an. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte sie.
    »Ach ja? Woher weiß ich, dass du mich nicht für irgendeine teuflische Kreatur hältst und das hier nur ein Trick ist, um mit mir allein zu sein und mich endlich umbringen zu können?«
    »Sei nicht albern«, erwiderte sie. »Du bist plötzlich aufgetaucht, und ich wusste nicht, wer du bist. Ein Fremder, der mich wie ein Verrückter verfolgt. Was sollte ich denn da denken?«
    »Na schön, ich habe kapiert«, antwortete ich, ohne es wirklich zu meinen.
    Emma senkte den Blick und bohrte mit der Stiefelspitze ein kleines Loch in die Erde. Die Flamme in ihrer Hand veränderte die Farbe, wechselte von Orange zu kühlem Indigoblau. »Was ich gesagt habe, stimmt nicht. Ich wusste sofort, wer du bist.« Sie sah zu mir hoch. »Du siehst ihm sehr ähnlich.«
    »Das haben mir die Leute schon oft gesagt.«
    »Es tut mir leid, dass ich dir so viele scheußliche Dinge an den Kopf geworfen habe. Ich wollte dir nicht glauben – weil ich wusste, was das bedeutete.«
    »Ist schon in Ordnung«, versicherte ich. »Als ich noch jünger war, habe ich mir so sehr gewünscht, euch alle kennenzulernen. Und jetzt, wo es endlich dazu gekommen ist …« Ich schüttelte den Kopf. »Es tut mir nur leid, dass es deswegen ist.«
    Da stürzte Emma auf mich zu und schlang mir die Arme um den Hals. Die Flamme in ihrer Hand erlosch, bevor sie mich berührte. Ihre Haut war warm an der Stelle, wo die Flamme gewesen war. So standen wir eine Zeitlang in der Dunkelheit, ich und diese alte Dame im Teenageralter, dieses hübsche Mädchen, das meinen Großvater geliebt hatte, als er in meinem Alter gewesen war. Ich konnte nichts anderes tun, als meine Arme um sie zu legen, also tat ich es, und es dauerte nicht lange, da weinten wir beide.
    Nach einer Weile hörte ich, wie sie in der Dunkelheit tief Luft holte. Und dann löste sie sich von mir. Das Feuer in ihrer Hand erwachte wieder zum Leben.
    »Entschuldige bitte«, sagte sie. »Ich bin sonst nicht so …«
    »Mach dir darüber keine Gedanken.«
    »Wir sollten weitergehen.«
    »Geh du voran«, sagte ich.
    Schweigend durchquerten wir den Wald. Als wir das Moor erreichten, sagte sie: »Tritt nur dahin, wo ich hingehe.« Das tat ich, stellte meine Füße in ihre Abdrücke. In der Ferne sahen wir Irrlichter, als würden sie mit Emmas Feuer Kontakt aufnehmen.
    Wir erreichten das Steingrab und duckten uns hinein, krochen hintereinander bis zu dem unterirdischen Raum und dann wieder zurück – hinaus in eine nebelverhangene Welt. Emma führte mich zum Pfad. Als wir ihn erreichten, schob sie ihre Finger zwischen meine und drückte zärtlich meine Hand. Wir schwiegen. Dann wandte sie sich um und ging zurück. Der Nebel schluckte sie so schnell, dass ich mich einen Moment lang fragte, ob sie überhaupt bei mir gewesen war.
    * * *
    Als ich mich dem Dorf näherte, rechnete ich beinahe damit, dass Pferdekarren durch die Straßen ziehen würden. Stattdessen empfingen mich das Summen der Generatoren und das Leuchten der Fernseher hinter den Fenstern der Cottages. Ich war daheim – sozusagen.
    Kev stand wieder hinter der Theke und hob mir sein Glas entgegen, als ich eintrat. Keiner der Männer im Pub war offenbar daran interessiert, mich zu lynchen. Die Welt schien in bester Ordnung zu sein.
    Ich ging nach oben und fand Dad an unserem kleinen Tisch. Er war vor dem Laptop eingeschlafen. Als ich die Tür schloss, wachte er auf und zuckte zusammen.
    »Hi! Du warst aber lange weg! Oder? Wie viel Uhr ist es?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Vermutlich nicht einmal neun. Die Generatoren laufen noch.«
    Er streckte sich und rieb sich die Augen. »Was hast du heute gemacht? Ich hatte gehofft, mit dir gemeinsam zu Abend zu essen.«
    »Habe noch ein bisschen in dem alten Haus herumgestöbert.«
    »Irgendwas gefunden?«
    »Ähm … eigentlich nicht«, antwortete ich und merkte zu spät, dass ich mir eine Geschichte hätte zurechtlegen sollen.
    Er sah mich sonderbar an. »Wo hast du die her?«
    »Die was?«
    »Die Klamotten«,

Weitere Kostenlose Bücher