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Die Insel der besonderen Kinder

Die Insel der besonderen Kinder

Titel: Die Insel der besonderen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ransom Riggs
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sagte er.
    Ich sah an mir hinunter und stellte fest, dass ich mein Tweed-Hosenträger-Outfit völlig vergessen hatte. »Die habe ich in dem Haus gefunden«, sagte ich, weil keine Zeit blieb, mir eine überzeugendere Antwort auszudenken. »Sind die nicht cool?«
    Er verzog das Gesicht. »Du ziehst Kleidungsstücke an, die du
gefunden
hast? Jake, das ist unhygienisch. Und was ist mit deiner Jeans und deinem Hemd passiert?«
    Ich musste schleunigst das Thema wechseln. »Die waren total dreckig, also habe ich sie …« Ich verstummte und tat so, als wäre mir der Laptop erst jetzt aufgefallen. »Wow, ist das dein Buch? Wie läuft’s denn so?«
    Dad klappte den Laptop zu. »Mein Buch ist jetzt nicht so interessant. Wichtiger ist, dass unser Aufenthalt dir guttut. Ich bin nicht sicher, ob Dr. Golan im Sinn hatte, dass du deine Tage allein in dem alten Haus verbringst, als er grünes Licht für diese Reise gab.«
    »Hey, das war Rekord«, sagte ich.
    »Was?«
    »So lange hast du es noch nie geschafft, meinen Psychiater nicht zu erwähnen.« Ich tat so, als würde ich einen Blick auf meine nicht vorhandene Armbanduhr werfen. »Vier Tage, fünf Stunden und sechsundzwanzig Minuten.« Ich seufzte. »Das war gut.«
    »Dieser Mann ist dir eine große Hilfe«, entgegnete er. »Weiß der Himmel, in welchem Zustand du jetzt wärst, wenn wir ihn nicht gefunden hätten.«
    »Du hast recht, Dad. Dr. Golan hat mir geholfen. Aber das heißt nicht, dass er jeden Schritt meines Lebens kontrollieren darf. Du und Mom, ihr könntet mir gut eines dieser kleinen Armbänder kaufen, auf dem steht: ›Was würde Dr. Golan raten?‹ Dann kann ich mir diese Frage jedes Mal stellen, bevor ich etwas tue. Bevor ich kacken gehe. Wie würde Dr. Golan wollen, dass ich kacke? Soll ich es an den Rand quetschen oder geradewegs in die Mitte fallen lassen? Wie würde das Kacken den therapeutisch größten Nutzen haben?«
    Dad antwortete ein paar Sekunden lang nicht. Als er es schließlich tat, klang seine Stimme niedergeschlagen und rauh. Er sagte, dass ich ihn am nächsten Tag begleiten würde, ob es mir passe oder nicht. Als ich entgegnete, dass er da leider einem Irrtum unterläge, stand er auf und ging hinunter in den Pub. Ich dachte, er würde etwas trinken, und zog mir wieder eigene Sachen an. Aber ein paar Minuten später klopfte er an meine Schlafzimmertür und sagte, dass jemand für mich am Telefon sei.
    Das konnte nur Mom sein. Also biss ich die Zähne zusammen und folgte ihm nach unten zu der Telefonzelle im hintersten Winkel des Pubs. Dad reichte mir den Hörer und setzte sich an einen Tisch. Ich zog die Tür hinter mir zu.
    »Hallo?«
    »Ich habe gerade mit deinem Vater gesprochen«, sagte eine männliche Stimme. »Er klang aufgebracht.«
    Es war Dr. Golan.
    Ich wollte ihm sagen, dass er und Dad mich mal konnten, aber die Situation erforderte ein gewisses Taktgefühl. Wenn ich Dr. Golan verärgerte, war meine Reise zu Ende. Aber ich konnte jetzt nicht abreisen, wo es noch so viel über diese besonderen Kinder zu lernen galt. Also machte ich gute Miene zum bösen Spiel und erzählte ihm, womit ich mich beschäftigte – abgesehen von den Kindern in der Zeitschleife. Ich versicherte ihm, dass ich allmählich den Eindruck gewann, an dieser Insel und meinem Großvater sei rein gar nichts ungewöhnlich. Es war eine Mini-Therapiestunde am Telefon.
    »Ich hoffe, dass du mir nicht nur das erzählst, was ich hören möchte«, sagte er schließlich. Das war sein Standardsatz geworden. »Vielleicht sollte ich zu dir kommen, um mich davon zu überzeugen, dass es dir wirklich gutgeht. Ich könnte einen kleinen Urlaub gebrauchen. Was hältst du davon?«
    Bitte lass es nur einen Scherz sein, betete ich.
    »Es geht mir gut, wirklich«, versicherte ich.
    »Entspann dich, Jacob, es war nur Spaß, obwohl ich wahrhaftig eine Auszeit gebrauchen könnte. Und ich glaube dir. Du hörst dich gut an. Ich habe deinem Vater bereits gesagt, dass es am besten sei, wenn er dir ein bisschen Freiraum lässt, damit du alles für dich selbst klären kannst.«
    »Ehrlich?«
    »Deine Eltern und ich sind dir lange nicht von der Seite gewichen. Ab einem bestimmten Punkt wird das kontraproduktiv.«
    »Das weiß ich zu schätzen.«
    Er sagte noch etwas, aber ich konnte ihn nur schlecht verstehen. Es war ziemlich laut um ihn herum. »Ich verstehe Sie kaum«, sagte ich. »Sind Sie in einem Einkaufszentrum?«
    »Am Flughafen«, antwortete er. »Ich hole meine Schwester ab. Ich

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