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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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sicher über den nächsten Winter kamen.
    »Der nächste Winter ist erst in sechs Monaten«, sagte Marguerite einmal.
    »Sechs Monate sind schneller vorüber, als man denkt«, gab Damienne zurück.
    Keine von beiden nahm das Wort Rettung in den Mund. Das Leuchtfeuer auf dem Hügel war seit Henris Tod verwaist. Sie waren nicht ein einziges Mal dort gewesen. Marguerite erschrak, als sie das bemerkte - hatten sie den Gedanken an Rettung denn schon aufgegeben?
    Gleich am nächsten Tag kletterte sie auf die Hügelkuppe. Die kleine Henriette nahm sie mit.
    Von der Feuerstelle war nicht viel übrig geblieben. Die Winterstürme hatten den Holzhaufen zum Einsturz gebracht und das Holz über die Kuppe verteilt. Marguerite trug alles wieder zusammen und schichtete es auf, wie es Henri getan hatte. Dabei erzählte sie seiner Tochter von ihrem Vater, von seinen Hoffnungen auf Rettung und wie sehr er sich über eine Tochter gefreut hätte. Als Marguerite den Haufen wieder ordentlich geschichtet hatte, sah sie sich um. Das Meer lag leer rund um die Insel. Weit im Süden waren dunklere Schatten am Horizont, und sie fragte sich wieder, ob das ein Wolkenberg oder die Insel Baccalaos war. Es schien gar nicht weit zu sein - und doch unerreichbar. Unter ihr lag die Insel. Der Wald, der sich so weit nach Norden zog - bis dorthin, wo das Tor der Hölle liegen sollte. Aber davon erzählte sie ihrer Tochter nicht.
    Damienne hatte lange nicht davon gesprochen, doch als das Jahr voranschritt und sie im Juni wieder auf der Beerenwiese waren und süße Früchte naschten - und hier konnte sich Damienne, was das Essen betraf, nicht länger zurückhalten -, da fragte sie Marguerite ganz unvermittelt: »Warum wollte Henri eigentlich nicht, daß wir in den Norden gehen?«
    Marguerite sah sie an und überlegte, was sie antworten sollte.
    »Sag mir nicht, daß es wegen irgendwelcher Bären war. Die hätten ihn sicher nicht so erschreckt. Er sah ja noch am Morgen danach fürchterlich aus«, sagte Damienne.
    Marguerite zögerte. Sie hatte Damienne nie von den letzten Worten ihres Geliebten erzählt. Henri, der nicht mehr bei ihr war. Wann immer sie der letzten Stunden seines Lebens gedachte, war der Schmerz so stark, als würde es gerade im Augenblick wieder geschehen. Doch Damienne verdiente eine Antwort.
    »Er sagte, dort sei das Tor zur Hölle«, sagte sie ganz ruhig.
    »Bei allen Heiligen«, rief Damienne und bekreuzigte sich, »und er war dort? Das erklärt den Schrecken.«
    Eine Weile sagten sie nichts, und Marguerite betrachtete die Schmetterlinge, die über die Wiese flatterten. Es war ein trüber Tag und es sah nach baldigem Regen aus. Den Schmetterlingen schien das aber nichts auszumachen.
    »Und? Hat er gesagt, wie es aussieht?«, fragte Damienne.
    »Was?«
    »Das Tor zur Hölle. Was hat er darüber gesagt?«
    »Nichts, er hat nur gesagt, daß es dort ist, und mich angefleht, niemals dort hinzugehen.«
    »Das ist ja merkwürdig«, sagte Damienne. »Schade, daß wir ihn nicht mehr fragen können.«
    »Ja, sehr schade«, sagte Marguerite verstimmt und stand auf.
    »Was ist?«, fragte Damienne.
    »Es sieht nach Regen aus. Wir sollten nach Hause gehen.«
    »Wie? Oh, ja, du hast recht. Ich glaube, für heute haben wir ohnehin genug Beeren gegessen. Sie sind aber auch wirklich ausgesprochen köstlich!«
    Anfang August sahen die verzweifelten Siedler von France-Roy endlich die lang ersehnten Segel den Strom hinaufkommen. Es waren drei Schiffe, die Anne, die Emerillon und - die Grand de Her- mine, das Schiff Cartiers! De Roberval konnte es nicht fassen. Der Mann, der ihn ins Unglück gestürzt hatte, sollte jetzt gekommen sein, um ihn und die Kolonie zu retten?
    Das Zusammentreffen der beiden Männer fiel denkbar frostig aus, vor allem als de Roberval erfuhr, daß Cartier nicht gekommen war, um die Kolonie zu verstärken, sondern um sie auf Befehl des Königs aufzulösen und die Überlebenden abzuholen.
    »Und das Gold, die Diamanten?«, entfuhr es ihm.
    »Wertlos, Monsieur, völlig wertlos«, sagte Cartier ruhig. »Ich habe sie den königlichen Gelehrten vorgelegt. Quarze und Schwefelkies - Katzengold, nichts weiter.«
    »Dann sind wir hier umsonst gestorben?«
    »Wir? Nun, Monsieur, Ihr seid nicht gestorben, wie ich sehe.«
    Kapitän de Xaintonge verhinderte, daß de Roberval seinem Widersacher an die Kehle ging.
    Es waren nicht einmal mehr einhundert Kolonisten übrig, die meisten fast zu Skeletten abgemagert.
    De Roberval bestieg sein Schiff, die

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