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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen
Autoren: Torsten Fink
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Briefe de Robervals an seine Verwandtschaft waren ebenfalls von Erfolg gekrönt: Einige seiner Vettern waren bereit, Geld in das Unternehmen zu stecken, und es war genug, um die Schiffe auszurüsten. Der Königshof hatte weitere Mittel in Aussicht gestellt und die Lieferung der dringend erwarteten schweren Kanonen angekündigt. Die fünf im Hafen von Saint-Malo liegenden Schiffe waren beinahe vollständig ausgerüstet. Die Zahl der Kolonisten war stetig gewachsen. Die Gefängnisse Frankreichs hatten sich dabei als ergiebige Quellen erwiesen - beinahe tausend Kolonisten, Matrosen und Soldaten warteten auf die Abfahrt. Endlich lief alles nach Plan. De Roberval war ansteckend guter Laune und selbst das Wetter wurde langsam besser.
    Marguerite fieberte zwar dem Zeitpunkt der Abreise entgegen, gleichzeitig aber waren ihre Gedanken auch oft bei einem gewissen jungen Leutnant der Königlichen Arkebusiere. Obwohl sie ihn seit zwei Wochen nicht gesehen hatte, dachte sie doch täglich an ihn. Es war ihr unmöglich, an so etwas Nebensächliches wie Handarbeit zu denken. Sie ließ den Stickrahmen sinken und seufzte. Durch das Fenster drang das Licht des Apriltages herein. Die Frühlingssonne wurde soeben von einer Regenwolke verdeckt und ein kurzer Schauer prasselte gegen das Fenster.
    Damienne hatte in der Stube zwei Kerzen entzündet. Das gab zwar nicht viel Licht, aber es wirkte gleich viel gemütlicher. Sie saß mit dem Rücken zum Fenster auf ihrem Stuhl und war in ihre Stickerei vertieft. Offensichtlich hatte sie das Seufzen ihres Schützlings überhört. Sie summte leise. Das Geräusch eines Karrens drang von der Gasse herein.
    Marguerite seufzte noch einmal, dieses Mal mit etwas mehr Nachdruck.
    »Ja, Lämmchen?«, fragte Damienne, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.
    »Wir sind doch bald in der Neuen Welt?«
    Damienne nickte.
    »Und Onkel Jean ist dort Vizekönig.«
    Damienne nickte erneut und ließ die Nadel geschickt durch den Stoff gleiten. Marguerite war immer wieder erstaunt, wie diese grobknochigen Hände, die so fest zupacken konnten, derart geschickt mit Nadel und Faden umgehen konnten, viel geschickter als ihre eigenen.
    »Bin ich dann nicht so etwas wie eine Vizeprinzessin?«
    Damienne lachte leise. »Ich weiß nicht, ob es so etwas gibt. Wenn ich Monsieur Cartier richtig verstanden habe, dann gibt es in dieser Gegend vor allem Bäume, Bären und ein paar Wilde. Ich weiß nicht, ob die viel Wert auf Titel legen.«
    »Aber auf jeden Fall bin ich als Nichte des Vizekönigs die erste Dame des Hofes.«
    »Das bist du, gewiß, mein Lämmchen.«
    Marguerite runzelte die Stirn. Wenn Damienne sie »Lämmchen« nannte, nahm sie sie nicht ernst.
    »Aber die erste Dame des Hofes wird doch wohl nicht sticken können müssen!«
    Damienne nahm ihre Nadel wieder auf. »Man kann nie genug können, hat meine Mutter immer zu mir gesagt. Vielleicht bist du irgendwann eine vornehme Dame, vielleicht wirst du sogar Königin bei diesen Wilden. Auf jeden Fall wirst du nicht dümmer davon, wenn du sticken und nähen kannst. Und das lernt man nur, indem man übt!«
    »Aber ich kann sticken! Für die Eingeborenen wird es auf jeden Fall reichen!«
    Marguerite war zu ihrer eigenen Überraschung wütend geworden. Wenn es aufhören würde zu regnen, könnte sie Damienne überreden, hinunter zum Hafen zu gehen, aber so saßen sie in der Stube bei Handarbeiten fest. Unten bei den Schiffen hatte sie Leutnant Fourraine das letzte Mal gesehen.
    »Dann laß mal sehen, was du heute vollbracht hast«, seufzte Damienne und ließ ihren Stickrahmen sinken. Sie warf einen prüfenden Blick auf Marguerites Werk. »Du hast zumindest einen ausgefallenen Sinn für Motive - ein dürrer Ast mit einem welken Blatt, sehr originell«, sagte sie.
    »Das ist eine Rose!«, entgegnete Marguerite entrüstet. Sie hatte das Zucken der Mundwinkel in Damiennes Gesicht nicht gesehen und bemerkte nicht, daß ihre Hausdame sie wieder einmal auf den Arm nahm.
    »So«, sagte die gedehnt, »eine Rose? Nun, die Dornen hast du gut hingekriegt.«
    Marguerite lag eine spitze Antwort auf der Zunge, aber ein lautes Pochen am Hoftor ließ sie herumfahren. Sie sprang auf und blickte neugierig zum Fenster hinaus. Ihr Onkel war im Kontor, also war es ihre Aufgabe, eintreffende Gäste zu begrüßen.
    Der alte Joseph schlurfte hinaus in den Regen, schob langsam die ächzenden Riegel zurück. Im Torbogen stand ein unscheinbarer grau gekleideter Mann, auf dem Kopf einen völlig durchnäßten
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