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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen
Autoren: Torsten Fink
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seiner gekünstelten Höflichkeit und den versteckten Bosheiten erschien ihr wie eine schattenhafte Bedrohung. Er war ein Bote des Unheils, wie eine Krähe, und sie ahnte, daß ihr Onkel wieder einmal in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Natürlich besprach er diese nie mit ihr, und sie würde es auch nie wagen, ihn danach zu fragen. Sie wußte nicht einmal, daß Ihr Onkel sogar seine Güter in der Picardie beliehen hatte. Es waren kleine Güter, ganz wie die Besitzungen ihrer Eltern, ihr Erbe, das sie an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag antreten würde. Bis dahin oblag die Verwaltung ihrem Onkel. Da sie nicht ihm gehörten, konnte er sie natürlich nicht beleihen. Aber weshalb hatte Soubise dann ausdrücklich die Picardie erwähnt?
    Als ihr Onkel am Abend aus dem Kontor nach Hause kam, hätte Marguerite ihn gern darauf angesprochen, doch ein Blick in sein Gesicht zeigte ihr, daß es klüger war zu schweigen. De Roberval war wütend, sehr wütend, und unendlich schlecht gelaunt. Für den Abend hatte er ein Treffen mit Cartier und de Xaintonge einberufen und bis dahin war er für niemanden zu sprechen.
    »Messieurs, wie es aussieht, sind wir gezwungen, unsere Pläne zu ändern«, eröffnete de Roberval die Besprechung am Abend. Sie saßen am Kartentisch. Im Kamin flackerte ein kleines Feuer.
    »Schon wieder?«, fragte Cartier. Er schien allerdings kaum überrascht.
    De Xaintonge sagte nichts, er verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte nur.
    »Es haben sich zu meinem Bedauern Dinge ergeben, die die Ausrüstung der Schiffe in Honfleur verzögern.«
    »Ihr redet von Euren Schulden beim Grafen de Boutillac?«, fragte Cartier.
    De Roberval stockte. Woher wußte Cartier davon? Wahrscheinlich durch Soubise oder einen anderen Mittelsmann des Grafen. Er hatte nie vergessen, daß die Familie de Boutillac Cartier in seiner Bewerbung um die Leitung dieses Unternehmens unterstützt hatte - wenn auch nur halbherzig und mehr, um de Roberval unter Druck zu setzen.
    Da es sinnlos war, seine Schulden zu leugnen, nickte er nur knapp.
    »Es wäre für unser Unternehmen weitaus günstiger, wenn Ihr Eure Geldangelegenheiten besser im Griff hättet, Monsieur de Roberval!«, sagte Cartier scharf.
    De Roberval sprang auf: »Es ist mein privates Vermögen, das in dieser Expedition steckt, ganz im Gegensatz zu dem Euren, Monsieur Cartier. Wenn wir auf Euer Vermögen angewiesen wären, müßten wir den Atlantik in Ruderbooten überqueren!«
    »Es ist auch das Geld des Königs!«, widersprach Cartier heftig, »und vielleicht wäre es in den Händen eines anderen besser aufgehoben als in den Euren.«
    »Was wollt Ihr damit sagen, Monsieur Cartier?« De Roberval war weiß vor Wut.
    »Ihr seid mit der Leitung der Expedition ganz offensichtlich überfordert, Monsieur. Wir sitzen hier schon seit drei Monaten fest und immer noch fehlen die wichtigsten Dinge.«
    »Ich weiß, Monsieur Cartier, daß Ihr durchaus eigenen Ehrgeiz in dieser Frage habt. Aber die Vorbereitungen wären weitaus besser gediehen, wenn Ihr mich mehr unterstützen und weniger unterminieren würdet!«
    Cartier sprang auf, sein Stuhl kippte um und schlug auf die Steinplatten des Fußbodens. Kalt blickte er de Roberval in die Augen: »Was wollt Ihr mir unterstellen, Monsieur? Meine ganze Kraft widme ich unserem Ziel, und das schon seit einer Zeit, als Ihr noch ein Verbannter wart!«
    Kapitän de Xaintonge trat zwischen die beiden Streithähne. »Meine Herren, beruhigt Euch bitte! Gegenseitige Schuldzuweisungen und Vorwürfe bringen uns nicht weiter.«
    Für eine Minute starrten sich de Roberval und Cartier an, dann entspannte sich de Roberval und drehte sich um. »Ihr habt recht, Monsieur de Xaintonge. Wir brauchen Lösungen.«
    Auch Cartier entspannte sich wieder. Er hob den umgestürzten Stuhl auf und setzte sich.
    »Nun gut, Lösungen«, begann er. »Habt Ihr eine Idee, wie wir weitermachen können, Monsieur de Roberval? Ich darf Euch daran erinnern, daß wir dem König unsere baldige Abreise angekündigt haben.«
    »In der Tat, ich habe einen Vorschlag, Messieurs.« De Roberval stand am Fenster und blickte hinaus in die Nacht. Die Butzenscheiben zeigten die verzerrten Spiegelbilder der beiden anderen Männer. De Xaintonge stellte kein Problem dar, er war zuverlässig und loyal. Bei Cartier war das anders. Er war immer noch gekränkt, daß nicht er die Leitung dieser großen Unternehmung innehatte. Vielleicht witterte der Entdecker Neufrankreichs sogar eine Chance,
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