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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen
Autoren: Torsten Fink
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und verformten Hut. Marguerite erkannte ihn sofort. Es war Monsieur Soubise, der Sekretär des Grafen de Boutillac.
    »Was für eine Freude, Euch wiederzusehen, Mademoiselle«, begann der Sekretär, als sie ihn in der kleinen Halle empfing. Dabei vollführte er wieder seine übertriebene Verbeugung, die Marguerite schon auf Château Roberval albern erschienen war.
    »Monsieur Soubise, was kann ich für Euch tun?«, begrüßte ihn Marguerite kühl.
    »Ich bin auf der Suche nach dem Herrn dieses Hauses. Ein wohl gewähltes Domizil, wenn ich das anmerken darf, bescheiden und trotz der ärmlichen Einrichtung behaglich.«
    Marguerite bemühte sich weiter, gelassen, kühl und freundlich zu bleiben, auch wenn sie aus jedem der höflichen Worte des Sekretärs spöttische Geringschätzung heraushörte.
    »Monsieur de La Roque Sieur de Roberval ist im Kontor, wo er die Gründung des neuen Frankreich vorbereitet.« Sie fand, es konnte nicht schaden, ein bißchen dick aufzutragen.
    »Ah, ich verstehe. Man hört, daß nach gewissen finanziellen Schwierigkeiten die Reise in die Ferne nun doch bald beginnen wird. Niemand freut sich mehr darüber als mein Herr, der Graf de Boutillac, wie ich Euch versichern darf. Bleibt uns allen nur zu wünschen, daß die Expedition ein solcher Erfolg wird, wie es Euer Onkel, der verehrte Sieur de Roberval, annimmt - schon Euch zuliebe, Mademoiselle. Dafür bete ich jeden Abend.«
    »Nun, zunächst sollten Eure Gebete nicht dem Erfolg, sondern jenen gelten, die die Heimat verlassen, um die Neue Welt aufzubauen. Trotzdem danke ich Euch für Eure freundlichen Worte«, antwortete Marguerite. Sie spürte, daß in den ausschweifenden Sätzen des Sekretärs versteckte Bosheit lauerte.
    »Natürlich, Mademoiselle, meine Gebete gelten auch all jenen unglücklichen Seelen, den armen Sträflingen, Huren und Mördern, die Eurem Onkel dabei helfen werden, das neue Frankreich zu errichten. Aber verzeiht, wenn ich es mir anmaße, Euer junges, strahlendes Leben und Eure reine Seele ganz besonders dem Schutz der göttlichen Vorsehung anzuempfehlen.«
    »Danke, bemüht Euch nicht«, antwortete Marguerite knapp. Dann wurde ihr bewußt, daß sie dabei war, sich von Soubise zu unbedachten Reaktionen hinreißen zu lassen, und setzte der Höflichkeit halber dazu: »Ich hoffe nicht, daß ich den besonderen Schutz der Vorsehung benötige.«
    »Oh, das weiß man nie, Mademoiselle, aber sicher ist doch, daß sich die Prüfungen des Schicksals besser ertragen lassen, wenn in so alltäglichen, niederen Fragen wie den Angelegenheiten des Geldes ein gewisser Erfolg, eine gewisse materielle Sicherheit vorhanden ist.«
    »Ich verstehe nicht, was Ihr meint, Monsieur.«
    »Das ist auch nicht wichtig, Mademoiselle, es sind nur die Gedanken eines unwürdigen Sekretärs, der von seinem niederen Stand her gezwungen ist, vornehme Herren wie Euren Onkel mit so schnöden Dingen wie Geldfragen zu belästigen.«
    Marguerite war von Anfang an klar gewesen, daß Soubise nicht zu einem Höflichkeitsbesuch gekommen war, sondern um Schulden anzumahnen; aber da schien noch etwas anderes zu sein. Der Sekretär mußte doch wissen, daß sie mit den Geldangelegenheiten ihres Onkels nichts zu tun hatte. Sie war schließlich nur ein junges Mädchen und der Onkel ihr Vormund. Es mußte einen Sinn haben, warum er ihr gegenüber davon anfing.
    »Ich bin sicher, mein Onkel wird sich über Euren Besuch ebenso freuen wie ich«, sagte Marguerite - und das war nicht einmal gelogen -, »gleichgültig, mit welcher Frage Ihr ihn ... wie sagtet Ihr? - belästigt.«
    Der Sekretär verneigte sich und lächelte: »Verzeiht bitte, wenn ich Euch mit meiner Anwesenheit zur Last gefallen bin, Mademoiselle. Ich weiß, Ihr seid mit den Vermögensfragen Eures Onkels nicht vertraut und könnt sicher auch keine Auskunft geben zum aktuellen Wert einiger beliehener Güter in der Picardie. Deshalb bitte ich noch einmal um Vergebung für mein Eindringen. Ich werde Euch nun nicht länger aufhalten und mich zum Hafen begeben, um das Kontor Eures Onkels aufzusuchen. Es war überaus freundlich von Euch, mich zu empfangen, Mademoiselle.«
    »Ich danke für Euren Besuch«, antwortete Marguerite höflich. »Joseph wird Euch hinausbegleiten.« Sie verzichtete bewußt auf übliche Floskeln wie: »Ihr seid jederzeit willkommen.« Sie wollte sich nicht mehr verstellen als unbedingt nötig.
    Als Joseph den Sekretär zur Tür begleitete, war sie erleichtert. Dieser rätselhafte Mensch mit
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