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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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viel an den folgenden Tagen - eine Tatsache, die Damienne ein wenig beunruhigte. Sie hatte eine vage Ahnung, daß das Herz ihres Schützlings für einen gewissen Leutnant schlug. Eine kleine, harmlose Schwärmerei, die sich erledigen würde, sobald der Leutnant endlich auf See war, so dachte Damienne.
    Als sie aber einige Tage vor der Abfahrt der Flotte erfuhr, daß Fourraine nicht mit an Bord gehen würde, begann sie, sich ernsthaft Gedanken zu machen.
    Am 23. Mai 1541 war es soweit. Mit der Flut am frühen Morgen stach die Flotte unter dem Kommando von Jacques Cartier in See. Obwohl es gerade erst hell wurde, war die ganze Stadt auf den Beinen, um den Kolonisten Abschied zu geben. Zwölfhundert Menschen waren an Bord der fünf Schiffe: Seeleute, Soldaten, Handwerker, Bauern, Glücksritter und Sträflinge. Sie wußten, daß ihre Reise ein Wagnis war. In der Neuen Welt lauerten große Gefahren. Die Menschen, die sich auf den Stadtmauern versammelt hatten, um den Schiffen und Menschen Lebewohl zu sagen, wußten das ebenfalls.
    Auch Marguerite stand auf der Mauer, ganz in der Nähe ihres Onkels. Sie winkte den Schiffen mit einem weißen Taschentuch nach. Die Sonne ging auf. Möwenschwärme folgten den Schiffen hinaus auf das offene Meer. Die Menge folgte den immer kleiner werdenden Segeln mit bangen Blicken. So manch einer hatte Verwandte an Bord und fragte sich, ob er sie je wiedersehen würde.
    Bald danach zerstreute sich die Menge. Es mochte sein, daß da gerade die Gründung des neuen Frankreich begonnen hatte, aber das Leben in Saint-Malo ging weiter. Die ersten Fischer kamen vom nächtlichen Fang zurück und direkt an der Kaimauer begann das alltägliche Feilschen um den Preis für Heringe und Schollen.
    Oben auf der Stadtmauer stand Jean-François de La Roque Sieur de Roberval mit seiner Nichte und blickte den Schiffen noch lange hinterher. »Es dauert nicht mehr lange, zwei oder drei Monate vielleicht, dann werden auch wir in See stechen, Marguerite.«
    Marguerite nickte. Die Segel der Flotte waren nur noch winzige Punkte am Horizont. Auch wenn sie glaubte, die Kolonisten bald wiederzusehen, war Marguerite doch traurig und konnte gar nicht genau sagen, warum. War es Fernweh? Sie seufzte.
    Ihr Onkel lächelte: »Keine Bange, mein Kind, wir werden rechtzeitig dazustoßen, sie werden das neue Frankreich schon nicht ohne uns gründen.«
    Zwei oder drei Monate, hatte der Onkel gesagt, aber daraus wurde nichts. Es kamen unangenehme Nachrichten aus der Heimat. Der Graf de Boutillac stellte neue Forderungen und die Verwandtschaft zeigte sich auf einmal weitaus weniger großzügig als angekündigt. De Roberval mußte nach Paris und Orléans, um Geld aufzutreiben. Aber wann immer er ein Loch gestopft hatte, tat sich anderswo ein neues auf. Es hätte nicht viel gefehlt und das Schloß der de Robervals, seit Generationen im Familienbesitz, wäre gepfändet und versteigert worden.
    In nervenzehrenden Verhandlungen mit Cousins und Großcousins, einem weitschweifigen und zeitraubenden Briefwechsel mit de Boutillac und dem schlichten Betteln um die Gunst des Königs gelang es de Roberval noch einmal, das abzuwenden. Drei Monate reiste er mit der Postkutsche quer durch ganz Frankreich, um Schulden zu bezahlen oder Kredite zu verlängern. Erst Anfang September war er wieder in Saint-Malo.
    Marguerite war in der Zwischenzeit Herrin des Stadthauses - zumindest theoretisch. Praktisch hatte Damienne alles unter ihrer Fuchtel und sorgte dafür, daß »der Laden lief«, wie sie sich ausdrückte. Wenn Marguerite gehofft hatte, während der Abwesenheit ihres Onkels einige Freiheiten zu genießen, wurde sie enttäuscht. Damienne paßte sehr genau auf, was sie tat. Gerne wäre Marguerite das eine oder andere Mal alleine zum Markt gegangen und vielleicht auch hinunter zum Hafen - ganz ohne Hintergedanken, wie sie sich selbst gegenüber behauptete -, aber daran war nicht zu denken. Keinen Schritt durfte sie ohne Damienne tun.
    »Es schickt sich nicht für eine junge Dame deines Standes, ohne angemessene Begleitung durch die Stadt zu gehen. Und damit meine ich nicht irgendeinen dahergelaufenen Soldaten, sondern mich!«
    Als de Roberval schließlich nach Saint-Malo zurückkehrte, war er ungenießbar schlechter Laune. Jeden Tag kamen von irgendwoher Boten, die den hochwohlgeborenen Sieur de Roberval an Schulden und Zahlungsversprechungen erinnerten - unter ihnen natürlich auch Sekretär Soubise. Etwa einmal die Woche klopfte er an die Pforte,

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