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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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gab es ein Donnerwetter, weil Marguerite ohne Erlaubnis in der Halle aufgetaucht war. Zwei Wochen Hausarrest verhängte der Onkel. Und doch konnte sich Marguerite die Frage nicht verkneifen: »Ist Seigneur de Lartigue ein Pirat?«
    De Roberval stutzte, dann verfinsterte sich seine Miene. »Es ist nicht angebracht, Menschen so etwas zu unterstellen, Marguerite. Kommt das von Damienne? Natürlich, wer sonst könnte dir so einen Unsinn beibringen? Pierre de Bidoux ist von edler Geburt und Vizeadmiral der Bretagne. Mag sein, daß die Normannen ihn als Piraten bezeichnen - du weißt, sie mögen die Bretonen nicht sonderlich. De Bidoux genießt das Vertrauen des Königs und das meine - wir werden gemeinsam einige Fahrten gen Süden unternehmen, Handel treiben, Marguerite, nichts weiter. Deswegen haben wir uns gestern hier getroffen.«
    »Natürlich, Monsieur«, sagte Marguerite und wagte nicht, zu widersprechen oder nachzufragen.
    »Sicher, eine Handelsreise!«, sagte Damienne sarkastisch, als der Onkel ins Kontor gegangen war und Marguerite ihr von dem Gespräch mit ihm berichtete. »Daß ich nicht lache! Natürlich treffen sich ehrbare Kaufleute heimlich mitten in der Nacht, und natürlich hat der Vizeadmiral der Bretagne nichts Besseres zu tun, als mit deinem Onkel ein wenig in die Kauffahrtei einzusteigen. Nein, Marguerite, ich fürchte, da ist irgend etwas anderes im Gange, etwas Übles, das spüre ich. Wir werden nachher in der Kirche eine Kerze für die Seele deines Onkels aufstellen.«
    »Aber ich habe Hausarrest, Damienne.«
    »Nun, ich bin sicher, dein Onkel wird nichts dagegen haben, daß du zur Beichte gehst - erst recht nicht, wenn er es nicht erfährt.«
    Marguerite und Damienne gingen jeden Sonntag gemeinsam zur Messe. Ihr Onkel begleitete sie nie, und obwohl er öffentlich seine Rückkehr zur katholischen Kirche bekannt hatte, hielt sich das Gerücht, daß er immer noch ein Anhänger der neuen Religion war. Das hatte zur Folge, daß die Kirche all seine Unternehmungen mit Mißtrauen beobachtete. Daran änderte auch die Tatsache nichts, daß ein halbes Dutzend katholischer Priester mit Cartier nach Westen aufgebrochen war, um das Wort Gottes unter den Heiden zu verbreiten. De Roberval hatte anfänglich versucht, das Mißtrauen zu zerstreuen, und den Bischof von Saint-Malo um eine offizielle Audienz ersucht. Allerdings hatte der Bischof wegen angeblich dringender Angelegenheiten den Termin immer wieder verschoben. Das wiederum war für de Roberval der offizielle Grund - oder Vorwand -, nicht zur Messe zu gehen, was das Mißtrauen der Kirche wiederum verstärkte.
    Die Kathedrale St. Vincent lag inmitten der Stadt. Sie war ein mächtiges, altes Gotteshaus aus grauem Granit, das düster die Stadt überragte. Marguerite hatte sie von außen schon immer als ein wenig furchteinflößend empfunden. Jeden Sonntag war sie mit Damienne hier, um der Messe beizuwohnen, und meistens suchte sie die Kathedrale noch ein zweites Mal in der Woche auf, um die Beichte abzulegen.
    Ihr Beichtvater war Abbé André, ein fahriger, älterer Priester, der offensichtlich vergessen hatte, daß Völlerei eine Sünde war, und der seinen über die Jahrzehnte gemästeten Körper nur noch mühsam in den Beichtstuhl zwängen konnte.
    »Vergebt mir, Vater, ich habe gesündigt«, begann Marguerite.
    Es roch nach gebratenem Speck. Der Pater schien direkt aus der Küche gekommen zu sein. Unter kurzatmigem Schnaufen vernahm sie: »Ich höre.«
    »Es sind vierzehn Tage vergangen seit meiner letzten Beichte.«
    Marguerite schwieg. Ihrer Meinung nach gab es nicht viel mehr zu beichten.
    »Weiter, mein Kind.«
    »Und ich war ungehorsam gegenüber meinem Onkel.«
    »So? Gegenüber deinem Onkel?«
    Er klang fast gelangweilt. Der Abbe hatte wenig Interesse daran, im Namen Gottes hinter de Roberval herzuspionieren.
    Marguerite ihrerseits wollte nicht über Familienangelegenheiten reden. Ihr brannte eine andere Frage auf der Seele.
    »Vater, ist es Sünde, an einen jungen Mann zu denken?«
    »An einen jungen Mann?«
    »Ja.«
    »Du meinst, unkeusche Gedanken?«
    Marguerite war sich nicht sicher, ob ihre Gedanken unkeusch waren.
    »Er hat die schönsten blonden Locken, die man sich vorstellen kann, Vater.«
    »So, so. Und welche Gedanken hast du noch, was diesen lockigen jungen Mann betrifft?«
    »Ich habe mich gefragt, wie es ist, in seinen Armen zu liegen.«
    »Dir ist hoffentlich bewußt, daß dies eine Sünde ist, wenn es nicht durch das heilige

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