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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Mademoiselle, deshalb fasse ich mich kurz. Immer donnerstags sende ich mit der Post den Rapport an den Hauptmann. Dann werde ich Euch schreiben, wenn Ihr es erlaubt. Allerdings kann ich Euch nicht direkt schreiben. Das wäre zu gefährlich. Also sende ich meine Briefe einem Freund, dem Korporal Victor Hermès. Er sollte freitags bei Euch sein. Ihr könnt ihm auch einen Brief an mich mitgeben. Gebt ihm Trinkgeld, dann ist er vertrauenswürdig wie nur sonst einer. Ich hoffe ergeben auf Antwort und verbleibe mit den wärmsten Gefühlen, Euer Henri Fourraine.«
    Marguerite war flau im Magen. Als der Korporal sie etwas fragte, schreckte sie aus ihren Gedanken auf.
    »Was meint Ihr?«, fragte sie nach.
    »Ob Ihr dem Leutnant zurückschreiben wollt, Mademoiselle. Ich werde warten, wenn es nicht zu lange dauert.«
    »Schreiben? Ja, sicher. Kommt herein, geht in die Küche, Monsieur, unser Koch hat sicher etwas für Euch. Ich werde ihm schnell ein paar Zeilen schreiben.«
    Sie hatte das Gefühl zu glühen, als sie sich hinsetzte. Ihr war abwechselnd heiß und kalt und ihre Gedanken überschlugen sich. Was sollte sie nur schreiben? Es gab so viel zu berichten: von der Erinnerung an den Kuß in der Kirche, von der Sehnsucht nach ihm, seinem Lächeln, von den Gefühlen, die er entfacht hatte, doch - war das schicklich? Durfte sie so etwas zu Papier bringen? Im allerersten Brief?
    Irgendwann - viel zu früh, und doch waren schon etliche Minuten verstrichen - rief der Soldat von unten herauf. Er stand unten am Treppenabsatz und drehte den Hut in seiner Hand.
    »Mademoiselle, noch mehr Spiegeleier kann ich nicht essen - habt Ihr nun eine Botschaft für mich beziehungsweise für den Leutnant?«
    Marguerite war verzweifelt. Sie hatte noch kein einziges Wort geschrieben. Aber sie riß sich zusammen, um sich nichts anmerken zu lassen: »Nun, Herr Korporal, die Zeit ist wohl doch zu knapp. Aber bestellt dem Herrn Leutnant Fourraine, daß mich sein Brief erreicht hat. Ich erlaube ihm, mir wieder zu schreiben. Vielleicht werde ich Euch nächsten Freitag eine Antwort mitgeben.« »Das ist alles?«
    »Ja, Monsieur, für den Moment.«
    Aber als der Soldat im Hof sein Pferd bestieg, öffnete sie oben ihr Fenster und rief hinterher: »Sagt ihm, ich habe mich sehr gefreut, und daß es mir gut geht, jetzt, da ich weiß, daß es auch ihm gut geht. Ich habe für ihn gebetet.«
    »Ich werde es ausrichten, Mademoiselle.«
    Als Damienne einige Minuten später mit ihrer beinahe wahren Lügengeschichte nach Hause kam, wurde sie von einer überglücklichen Marguerite fast überrannt. Sie hielt ihr ein Stück Papier unter die Nase und jubelte: »Er hat mir geschrieben! Er hat mir geschrieben!«
    Obwohl Marguerite die Worte völlig ungeordnet hervorsprudelte, verstand Damienne doch, daß der Leutnant einen Brief geschickt hatte, und zwar mit einem Boten, den sie hätte abfangen können, wenn sie nicht den Umweg über die Wache gemacht hätte. Nun hatte sie alle Hände voll zu tun, Marguerite wieder zu beruhigen. Auch wenn der Leutnant wohlauf und nicht verschollen sei, ändere das schließlich nichts an der Ausgangslage: »Er ist ein armer Schlucker und du bist die Nichte des Vizekönigs.«
    »Aber wir sind doch selbst arm!«
    »Arm? Mein Kind, wir sind nicht arm. Auch wenn wir seit Tagen ausschließlich Hering und Spiegelei essen! Deine Familie gehört zu den wohlhabendsten Frankreichs. Es gibt im Moment nur einen kleinen Engpaß, was die flüssigen Mittel angeht. Jedenfalls ist Henri nicht von Stand - und es ist besser, wenn du nicht weiter mit seinesgleichen verkehrst. Dein Onkel würde es nie erlauben.«
    »Meinst du denselben Onkel, der gerade mit dem Piraten de Lartigue auf Kaperfahrt ist?«
    »Das ist etwas völlig anderes! Auf jeden Fall verbiete ich dir, ihm zu schreiben.«
    »Dann schreibe ich ihm heimlich!«
    Wie Damienne zu ihrem Erstaunen feststellte, war Marguerite in dieser Sache hartnäckiger als jemals zuvor in ihrem Leben, aber die Normannin setzte auf die Zeit. Wie lange konnte so eine Schwärmerei unter jungen Leuten schon anhalten? Das würde vergehen. Sie hatte den ersten Brief Henris gelesen und beruhigt festgestellt, daß er nicht gerade ein Poet war. Vielleicht mußte sie überhaupt nichts tun, vielleicht erledigte sich das Problem einfach von selbst. Noch ein paar langweilige und belanglose Briefe über das Wetter, und Marguerite würde allmählich das Interesse verlieren. Und so wurde aus Damiennes anfänglichem »Du schreibst

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