Die Insel der Dämonen
schlimmer noch - sei noch immer ein Anhänger des neuen Glaubens.
De Roberval hatte den Sträflingen zwar versprochen, sie auf offener See von ihren Ketten zu befreien, doch er hielt sein Versprechen nur zum Teil. In der Nacht wurden sie wieder in Eisen gelegt. Als einer der Gefangenen, ein hagerer Baske aus Pau, laut dagegen protestierte, ließ de Roberval ihn an den Mast binden und auspeitschen. Diese Schreie waren es, die Marguerite bis in ihre Kabine gehört hatte. Damienne erzählte ihr davon, als es ihr wieder besser ging.
»Ausgepeitscht?«, frage Marguerite entsetzt. »Aber der Mann war doch im Recht! Ich habe selbst gehört, wie mein Onkel den Gefangenen die Freiheit versprochen hat, wenn wir erst auf See sind.«
»Das habe ich auch, mein Kind, doch ich glaube, es ist besser, wenn du deine Meinung für dich behältst. Vielleicht hat er recht: Wer weiß schon, was diese Verbrecher nachts alles anstellen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen? Am Ende gibt es eine Meuterei.«
»Das verstehe ich zur Not, aber warum mußte er den Mann gleich auspeitschen lassen?«
Damienne wurde sehr ernst. »Ich habe es dir schon einmal gesagt, Marguerite: Hier an Bord ist dein Onkel Gesetz. Hier geschieht, was er sagt. Du weißt, wie er ist: Er verträgt keinen Widerspruch, das war schon früher so.«
Am nächsten Tag sah Marguerite endlich - endlich! - Henri wieder. Sie begegnete ihm auf dem Spaziergang an Deck.
»Ich hoffe, Mademoiselle ist wieder wohlauf?«
Marguerite wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, so sehr freute sie sich, ihn zu sehen, doch auf dem Achterdeck stand ihr Onkel mit Kapitän de Xaintonge, und es waren natürlich auch Matrosen in der Nähe. Und so sagte sie nur kühl: »Vielen Dank, Herr Leutnant, es geht mir wieder gut.«
»Ich bin erfreut, das zu hören.«
»Marguerite!«, rief es vom Achterdeck herüber. Es war ihr Onkel.
»Ja, Monsieur, ich komme.«
»Auf Wiedersehen, Mademoiselle«, sagte Henri und sah ein bißchen traurig aus.
»Auf bald«, antwortete Marguerite, bevor sie zu ihrem Onkel eilte.
»Was hast du mit dem Leutnant zu bereden?«, fragte ihr Onkel. Sein Blick war kalt und streng. Kapitän de Xaintonge sah ihn erstaunt an. Offensichtlich hatte er den Tadel in de Robervals Stimme gehört, den Grund aber nicht verstanden.
»Der Herr Leutnant war so freundlich, mich in meine Kabine zu geleiten, als ich vor ein paar Tagen unpäßlich war. Ich habe ihm lediglich gedankt, Monsieur.«
»So, gedankt? Nun gut, ich halte es dennoch für besser, wenn du die Matrosen und Soldaten nicht von ihrer Arbeit abhältst und möglichst in deiner Kabine bleibst. Wo ist eigentlich Madame Lafleur? Es schickt sich nicht, daß du ohne Begleitung hier oben herumstrolchst!«
Marguerite lag der Protest schon auf der Zunge, doch sie spürte, daß dies der falsche Moment war zu widersprechen. Nichts brachte ihren Onkel so auf wie Widerworte in aller Öffentlichkeit. So sagte sie nur: »Ja, Monsieur. Dann werde ich mich nun zurückziehen.«
»Tu das, mein Kind.«
»Ihr solltet Euch wärmer anziehen, wenn Ihr wieder einmal heraufkommt, Mademoiselle. Der Seewind ist frisch«, sagte Kapitän de Xaintonge.
»Ich danke Euch, Kapitän, für die Sorge um meine Gesundheit. Ich werde Eurem Rat zukünftig Folge leisten.«
Als Marguerite - sehr verstimmt - wieder unter Deck ging, fiel ihr auf, daß ihr Onkel sich in den vergangenen Tagen nicht ein einziges Mal nach ihrem Befinden erkundigt hatte.
»Jetzt bin ich Henri so nah und kann ihn doch nicht sehen«, jammerte Marguerite am selben Abend in der Kabine.
»Ich hab dir doch gesagt, daß dein Onkel eine Beziehung zu einem einfachen Soldaten niemals zulassen wird.«
»Henri ist Leutnant!«
»Meinetwegen kann er auch Hauptmann werden ... Dein Onkel wird ihn trotzdem nicht in deiner Nähe dulden. Das hast du ja gesehen.«
»Aber wir haben uns nur unterhalten - in aller Öffentlichkeit!«
»Ja«, seufzte Damienne, »ehrlich gesagt bin ich auch etwas erstaunt, daß dein Onkel nicht einmal das erlaubt.«
»Seit wir auf dem Schiff sind, ist er noch strenger als sonst«, klagte Marguerite.
»Das scheint mir auch so. Und es ist wohl besser, wir verärgern ihn nicht weiter. Wenn du also das nächste Mal an Deck gehst, dann nicht ohne mich. Vielleicht kannst du dich ja dann ein wenig mit deinem Henri unterhalten.«
»Werde ich ihn denn nie alleine sehen können?«
»Nein, nicht hier an Bord, mein Kind. Und, du kannst es dir vielleicht denken, es erscheint mir
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