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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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ausgepeitscht.«
    »Warum?«
    »Keine Ahnung. Komm, versuch, wieder zu schlafen, das hilft.«
    Aber es half nicht.
    Als es am nächsten Morgen immer noch nicht besser war, schickte Damienne nach Doktor d’Athies.
    »Ich glaube zwar nicht, daß er als Arzt viel taugt, aber es schadet wohl auch nicht.«
    Aber auch Doktor d’Athies wußte kein Wundermittel gegen die Seekrankheit. »Die Medizin hat dagegen noch keine Salbe und keinen Trank gefunden, Mademoiselle, doch kann ich Euch dahingehend beruhigen, daß es, soweit ich weiß, stets nach wenigen Tagen zu Ende ist mit der Übelkeit. Im Unterdeck hat es viele der Zuchthäusler ebenfalls erwischt. Der Gestank ist ganz unvorstellbar, Mademoiselle, dieser üble Geruch von Auswurf, der über allem liegt ... oh! Ja, laßt es nur heraus, Mademoiselle, das befreit«, sagte der Arzt, dessen lebhafte Beschreibungen der Zustände unter Deck in Marguerite einen besonders heftigen Brechreiz ausgelöst hatten.
    »Wenn es Euch beruhigt, Mademoiselle, könnte ich eine Phlebotomie bei Euch durchführen. Sie gilt als universell wirksame Methode.«
    »Was ist das?«, fragte Marguerite matt.
    »Ein Aderlaß, Mademoiselle. Ich vermute, daß die Seekrankheit auf eine Ungleichheit der Körpersäfte zurückgeht, wie viele andere Krankheiten auch. Durch Eure Übelkeit habt ihr viel Schleim und vermutlich auch viel der gelben und vielleicht auch schwarzen Galle verloren. Deshalb könnte eine Blutentnahme -«
    Der Arzt unterbrach sich, weil sich Marguerite bei Erwähnung dieser Worte sofort wieder übergeben mußte. Er wartete einen Moment, dann fuhr er fort: »Also, ein Aderlaß könnte das Gleichgewicht Eurer vier Körpersäfte wiederherstellen. Es wäre allerdings ein Experiment, denn bislang ist nicht belegt, daß es bei Seekrankheit hilft.«
    »Dann wollen wir das auch nicht versuchen, Monsieur d’Athies«, mischte sich Damienne ein. »Vielleicht nehmt Ihr besser einen der armen Teufel aus dem Unterdeck für Eure Experimente her. Mademoiselle de La Roque steht dafür nicht zur Verfügung.«
    »Bedauerlich, sehr bedauerlich. Nun, ich sehe später noch einmal nach Euch, wenn Ihr erlaubt? Und wenn Ihr Eure Meinung ändern solltet ...«
    »Wenn wir Euch brauchen, werden wir Euch rufen lassen, Doktor«, antwortete Damienne. »Es ist sehr beruhigend, einen so hochqualifizierten Arzt wie Euch in der Nähe zu wissen, aber noch beruhigender ist es, wenn man Euch nicht braucht.«
    Mit dieser kleinen Unverschämtheit hatte sich Damienne zwar einen Feind geschaffen, aber sie war den Arzt los und Marguerite rang sich ein schwaches Lächeln ab - das erste Zeichen der Besserung. Zwei Tage später war sie wieder auf den Beinen und konnte sich kaum noch daran erinnern, wie schlecht es ihr in den vergangenen Tagen ergangen war.
    Die Flotte war inzwischen weit draußen auf dem offenen Atlantik. Das nächste Land war Tage entfernt. Als Marguerite an Deck kam, um endlich wieder frische Luft zu atmen, sah sie bis zum Horizont nichts als endloses graublaues Wasser, das sich in unablässiger Bewegung hob und senkte, und natürlich die Valentine und die Leche-Fraye, die in geringem Abstand folgten. Ihr wurde plötzlich klar, daß sie in den nächsten Wochen nichts anderes zu Gesicht bekommen würde. Sie fand es plötzlich unerhört mutig, sich auf einem so winzigen Stück Holz, wie es die Anne doch eigentlich war, in so eine unendliche Weite hinauszuwagen.
    In den nächsten Tagen lernte sie die Routine an Bord kennen. Frühstück für die Passagiere um acht, Mittagessen um zwölf, Abendbrot um sechs. Die Sträflinge und auch die Frauen aus dem Vorderkastell hatten dann für jeweils eine Stunde die Erlaubnis, sich an Deck aufzuhalten. Den Rest des Tages mußten sie unter Deck bleiben, um die Arbeit der Matrosen nicht zu behindern.
    Diese Einschränkungen galten jedoch nicht für die Kabinenpassagiere. Abbe Charles bot an, täglich vor dem Frühstück eine Heilige Messe zu lesen. De Roberval lehnte das ab: »Für das Seelenheil der Männer wird es reichen, wenn Ihr das sonntags tut. Sie werden unter der Woche wenig Zeit finden zu sündigen, dafür werde ich schon sorgen.«
    Damit erklärte sich der Abbe notgedrungen einverstanden. Er war allerdings entsetzt, als er feststellte, daß de Roberval dem Gottesdienst fernblieb - ein Umstand, der auch der Mannschaft nicht verborgen blieb und für Unruhe sorgte. Hinter vorgehaltener Hand flüsterten sich die Matrosen zu, der Kommandant sei von Gott abgefallen oder -

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