Die Insel der Dämonen
auf - aber sie waren nicht allein. Irgendwo in der Nähe kicherten die Dämonen. Es war wieder da, dieses seltsame, glucksende Gelächter.
Sie erstarrten - es war nicht so nah wie zuvor, aber es war auch nicht sehr weit weg. Damienne hielt es nicht mehr aus. Sie hob die Flinte, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und drückte ab. Der Schuß ging in den Nachthimmel, und da Damienne die Büchse nur in einer Hand gehalten hatte und nicht auf den Rückstoß vorbereitet gewesen war, warf es sie unsanft zu Boden. Die Fackel fiel ihr aus der Hand. Die schwache Flamme zuckte noch einmal auf und dann verlosch sie. Schlagartig wurde es völlig dunkel.
»Bei allen Heiligen«, rief Damienne.
Henri stöhnte entsetzt auf - und die Dämonen lachten. Nach dem Schuß waren sie für einen Moment verstummt, doch jetzt lachten sie wieder. Es mußte sich mindestens ein halbes Dutzend von ihnen in der Dunkelheit verbergen.
Marguerite packte den zögernden Henri am Arm: »Los jetzt, der Baum, hilf mir!«
Sie packten den Stamm an seiner kümmerlichen Krone und zogen an. Er war nicht so schwer, wie Marguerite befürchtet hatte. Mit einem Ruck setzten sie sich in Bewegung. Doch sofort stolperte Marguerite und fiel hin. Die Aste hatten sich in Grassoden verfangen. Plötzlich war Damienne bei ihnen: »Andersherum, die Wurzel voran!«
Stumm und hastig arbeiteten sie, zogen zunächst in entgegengesetzte Richtungen - und die Dämonen lachten. Irgendwie schafften sie es dann doch, den Stamm zu drehen. In der Ferne - es waren ja nur wenige Schritte, doch es kam ihnen unendlich weit vor - glommen die Reste ihres kleinen Lagerfeuers. Die Feuerstelle in der Mulde war ihren Blicken entzogen, aber sie sahen den schwachen rötlichen Schimmer über den schwarzen Schatten der Nacht.
Sie zogen und zerrten den Stamm durch das finstere Unterholz. Marguerite stolperte erneut, zog mit all ihrer Kraft, keuchte und stöhnte. Zweige schlugen ihr ins Gesicht, Dornen bohrten sich in ihr Kleid, sie fiel wieder hin, rappelte sich wieder auf. Neben ihr keuchten und stolperten und fluchten Henri und Damienne.
Nach endlos langen Minuten verzweifelter Anstrengung erreichten sie schließlich die kleine Mulde. Das Feuer war fast vollständig erloschen.
»Vorsichtig, damit es nicht ausgeht«, rief Henri.
Keuchend wälzten sie die Wurzeln des Stammes in die Glut.
Das Holz fing fast sofort Feuer und die bedrückende Dunkelheit wich zurück.
Doch die Nacht war noch lang.
»Sagt, Madame Lafleur«, sagte Henri irgendwann, »wo habt ihr die Arkebuse gelassen?«
»Es tut mir leid, Herr Leutnant, aber die habe ich vorhin verloren, das heißt, sie hat mich verloren, als sie mich beim Schuß umgeworfen hat - und dann war sie verschwunden.«
»Ich will hoffen, daß wir sie in der Früh wiederfinden, denn die Büchsen sind unsere einzige Verteidigung hier auf der Insel.«
»Unsere Gebete und die himmlischen Heerscharen schützen uns weit besser als das bißchen Pulver und Blei, Herr Leutnant«, sagte Damienne steif.
»Der Schutz der Engel ist gut. Eine Waffe in der Hand ist besser!«
»Euch fehlt der rechte Glaube, Monsieur.«
»Gott hilft denen, die sich selbst helfen, Madame!«
»Ich hoffe für Euch, daß das nicht stimmt, Monsieur.«
Marguerite starrte von einem zum anderen. Warum stritten die beiden? Sie mußten doch jetzt, in der Not, einander beistehen!
»Nun, Madame, auch wenn Ihr es nicht einsehen wollt, mit meinen Waffen haben wir die Dämonen in die Flucht geschlagen, nicht mit Eurem frommen Gewinsel.«
»Monsieur Fourraine, Ihr vergreift Euch gegenüber einer Dame im Ton und Ihr lästert Gott!«
»Madame Lafleur, Gott werde ich bei Gelegenheit um Verzeihung bitten!«
»Diese Gelegenheit könnte schneller kommen, als Ihr denkt!«
»Das wünscht Ihr Euch wohl?«
»Hört auf, alle beide!« Marguerite war aufgesprungen. »Wir müssen zusammenhalten, wir dürfen nicht streiten! Man muß sich ja schämen!«
»Schämen?«, fragte Damienne trocken. »Vor wem denn? Hier ist doch kein Mensch außer uns.«
Marguerite setzte zu einer Antwort an, aber dann erklang wieder die dünne Stimme aus der Ferne. Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Sie setzte sich hin und barg den Kopf in den Händen. Es war so furchtbar! Sie hätte gerne geweint, aber sie konnte nicht.
Damienne seufzte. Sie hatte sich wirklich für einen Augenblick vergessen. Sie rang sich zu einem heroischen Schritt durch: »Herr Leutnant, ich bitte Euch um Verzeihung, wenn ich Euch beleidigt haben
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