Die Insel der Krieger
seltsam«, bemerkte Nalig. Leider konnte sich keiner der Jungen einen Reim darauf machen. Die drei wandten sich zum Gehen. »Aber alle Götter außer Kaya verließen vor fast 800 Jahren diese Insel. Das bedeutet, Xatrak muss schon vorher gestorben sein. Sonst hätte man ihn nicht hier beigesetzt«, dachte Nalig laut nach. »Wer auch immer er war, 800 Jahre sind eine lange Zeit der Trauer «, erwiderte Zalari. Der Speisesaal war noch leer, als die drei Freunde ihn betraten. Nalig fragte sich, wo Ilia wohl schlief und ob sie am Frü h stück der Krieger teilnehmen würde. Arkas’ Gedanken schienen auch bei Ilia gelandet zu sein. »Seltsam, dass Kaya so darauf bestanden hat, dass sie auf die Insel kommt«, meinte er ganz unvermittelt. »Allerdings. Da sie Stella hier allenfalls duldet, hätte ich nicht gedacht, dass sie so um das Wohl und die Ehre eines Mädchens besorgt sein würde. « »Vie l leicht liegt es daran, dass Ilia nicht hier ist, um Kriegerin zu werden, sondern brav im Tempel zu sitzen und das zu tun, was Frauen Kayas Meinung nach tun sollten – Kinder bekommen«, mutmaßte Zalari. Nalig runzelte die Stirn. »Stella hat etwas Ähnliches gesagt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Kaya so denkt. Schließlich ist sie selbst keine Frau, die den Kampf den Männern überlasst. « »Wir werden es wohl kaum herausfinden, ohne Kaya zu fragen«, stellte Zalari fest. »Und da wohl niemand von uns dumm genug ist, das zu wagen, bringt es auch nichts, sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Zudem finde ich es nicht mehr als recht, wenn du Verantwortung für dein Handeln übernimmst. « Nalig sagte nichts darauf. Natürlich fand auch er, dass Kaya Recht hatte. Aber er verstand nicht, weshalb sich Zalari so auf ihre Seite schlug. Nach und nach trudelten Aro, Rigo, Juray und Greon ein. Doch noch ehe Lina auch nur einen Korb mit Brot auf den Tisch gestellt hatte, kam Kaya in den Speisesaal und verkündete: »Wir müssen sofort zum Festland aufbrechen. Ich erwarte alle kampfbere i ten Krieger im Innenhof. « Zalari und die älteren Krieger erhoben sich. Nalig taxierte Greon mit Blicken. Er gab noch immer ihm die Schuld dafür, dass er so schrecklich nutzlos war. Lina versorgte die drei ve r bliebenen Jungen mit Frühstück. Nach dem Essen fragte Nalig sie nach Ilia. »Sie ruht sich noch aus. Aber sie freut sich sicher, wenn du sie besuchen kommst. « Greon, der von Ilias Ankunft noch nichts mitbekommen hatte, beobachtete Nalig interessiert. Da dieser keinen Anlass sah, ihn in dieser Sache aufzuklären, erhob er sich wortlos, um sich von Lina den Weg zu Ilia weisen zu lassen. Arkas blieb sitzen. Er dachte scheinbar, dass Nalig und Ilia zunächst unter vier Augen mite i nander reden sollten. »Der Vogel bleibt draußen«, hielt Lina Nalig auf, als sie ihn aus dem Speisesaal in die angrenzende Küche führte. Der Junge schickte Merlin weg und folgte Lina in einen Raum neben der Küche. Die rundliche Frau schien hier zu schlafen, denn über einem Bett unter dem Fenster hing eine ihrer Schürzen. In einem zweiten Bett, das in den Raum gezwängt worden war, saß Ilia. Sie lächelte, als Nalig hereinkam. Mira war gerade da und versorgte Ilias Verletzungen. »Nimm hiervon fünf Tropfen jeden Abend«, riet sie dem Mädchen schließlich. »Du hast gestern deinen Verband nicht wechseln lassen«, sagte sie dann vorwurfsvoll zu Nalig, ehe sie hinausging. Dieser ließ sich nicht ablenken und setzte sich neben Ilia. »Hast du gut geschl a fen? « »Ja. Es geht mir schon besser als gestern. « Tatsächlich war das Mädchen schon viel weniger blass als am Vorabend. »Hör mal«, meinte Nalig verlegen und sah Ilia dabei nicht an. »Ich wusste, dass es dir nicht gut geht. Aber ich hatte keine Ahnung, dass ich daran schuld bin. « Ilia drückte sachte seine Hand. »Mach dir deshalb keine Vorwü r fe. Es war mindestens genauso sehr meine Schuld. « Nalig schüttelte den Kopf. »Ich hätte nicht so unbesonnen sein dürfen. « Das Mädchen drückte seine Hand etwas fester. »Wärst du es nicht gewesen, dann wäre ich jetzt nicht hier. « Als der Junge sie noch immer nicht ansah, fragte Ilia leise: »Freust du dich denn gar nicht, dass ich hier bin? « Es war schwer zu sagen, ob Nalig sich freute. Einerseits war da die E r leichterung, dass Ilia lebte. Andererseits stimmte ihn der Gedanke verdrießlich, fortan auf sie Acht geben zu müssen. Und auch, wenn Nalig sich ein wenig dafür schämte, wünschte sich ein Teil von ihm, Ilia möge
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