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Die Insel der Krieger

Die Insel der Krieger

Titel: Die Insel der Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Manz
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brachte Nalig beinahe aus der Fassung. Stellas Porträt war leer. Der Rahmen und die Leinwand hingen noch dort, wo sie hingehörten und auch der farbige Hintergrund, den Kugara dem Bild gegeben hatte, war derselbe. Doch Stella fehlte. Das Abbild des schwarzhaarigen Mädchens mit dem verschlossenen Blick war einfach aus dem Gemälde verschwunden. Und nicht nur das. Der steinernen Statue der in anmutiger Körperha l tung vor dem Porträt sitzenden Katze fehlte das Gesicht. Die Statue war nicht beschädigt. Es lagen keine abgesplitterten Steine auf dem roten Teppich und die Fläche, die der Katze an Stelle ihres Gesichts geblieben war, war glatt. Ganz so, als hätte Jiro die Statue so angefe r tigt. Zögernd legte Nalig eine Hand auf den verunstalteten Kopf der Katze. Der Stein war unglaublich kalt. Nicht so, wie es für Stein üblich war, sondern auf eine unangenehme, fremdartige Weise. Dem Jungen war, als dringe die Kälte in seine Finger ein und er zog sie rasch z u rück. Er erinnerte sich an Mariks Worte. Der Gott hatte Recht. Diese Ereignisse waren in der Tat nicht mit Vernunft zu erklären. Der Junge fragte sich, welche Veränderungen er noch vorfinden würde, wenn er sich nur genauer im Tempel umsah und kalte Angst packte ihn. Wenn das Grauen so ohne Weiteres Dinge verschwinden lassen konnte, was war dann als Nächstes an der Reihe? Nalig verließ den Tempel durch die Halle des Schicksals. Er ließ noch einmal den Blick Hilfe suchend über das Wandgemälde schweifen und trat dann hinaus. Wo er das Grauen zu suchen hatte, wusste er nicht. Doch er war zuversichtlich, dass es früher oder später ihn finden würde. Er beschloss, seine Suche dort zu beginnen, wo das Grauen zum ersten Mal in Erscheinung getreten war. Auch wenn er sich eigentlich geschworen hatte, den Ort nie wieder aufzusuchen. Schon auf dem Weg dorthin hatte Nalig ein ungutes Gefühl. Etwas hatte sich verändert in den Wäldern Kijertas, seit er sie das letzte Mal durchstreift hatte. Es war merkwürdig still, beinahe leblos. Es war auch viel kälter und sehr dunkel, obwohl es erst kurz vor Mittag war. Das Grauen war also nicht untätig gewesen, auch wenn es seit geraumer Zeit niemandem mehr begegnet war. Merlin teilte dem Jungen mit, dass er schon bei seiner Jagd am Vortag kaum eine Maus zu Gesicht bekommen hatte. Doch wenn das Grauen so aktiv war, wie kam es dann, dass nicht mehr Spuren von ihm zu sehen waren? Abgesehen von der Stelle, an der Nalig Arkas gefunden hatte, wo die Erde noch immer tot und schwarz war, fand sich nirgends ein Anzeichen für die Gegenwart der finsteren Macht. Dem Jungen wurde schwer ums Herz, als er bei der Stelle anlangte. Es schien, als wäre es gestern gewesen, dass er seinen Freund hier hatte liegen sehen. Der Abend, an dem Arkas mit seinem Bruder den Speisesaal verlassen hatte, war noch so gegenwärtig. Nalig erinnerte sich an jedes Detail. Daran, wie er ihm Nino überlassen hatte, daran, wie niedergeschlagen er gewesen war, dass Greon Kijerta verließ und auch daran, wie er durch die Tür getreten war und Nalig ihn das letzte Mal lebend ges e hen hatte. Ihm war beinahe so, als könne er Arkas noch immer vor sich sehen. Als Merlin aufschrie, wurde Nalig klar, dass er Arkas ta t sächlich vor sich sah. Natürlich war es nicht wirklich Arkas. Da war es wieder. Das Grauen stand reglos zwischen den Bäumen. Naligs Herz pochte. Was sollte er tun? Er hatte gehofft, die Antwort zu erkennen, wenn das Grauen auftauchte. Doch er war ebenso ratlos wie zuvor. Der gesichtslose Arkas verflüchtigte sich. Der schwarze Dunst jedoch versank nicht in der Erde, sondern breitete sich in der Luft aus. Er wurde durchscheinender, je weiter er sich verteilte. Das Grauen hüllte Nalig ein, ohne ihn zu berühren. Dem Jungen schwindelte. Dann veränderte sich seine Umgebung. Der Ort, an dem er stand, blieb derselbe. Doch der schwarze Kreis aus toten Pflanzen war fort und es war dunkel, als wäre es spät am Abend. Dann hörte Nalig plötzlich Stimmen. Sein Magen verkrampfte sich, als er Arkas sagen hörte: »Ich dachte, du wolltest mit mir reden. « Der Junge tauchte zwischen den Bäumen auf. Er lief hinter Greon her und sah genauso aus wie an dem Abend, als er den Tempel das letzte Mal verlassen hatte. »Ich möchte dir etwas zeigen«, erwiderte Greon und seine Stimme war wie ein Dolchstoß in Naligs Herz. »Ist alles in Ordnung mit dir? « , fragte Arkas besorgt. »Hier ist es«, erklärte Greon. Seine Miene war verschlossen. Arkas trat vor

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