Die Insel der Krieger
»Ja, sollte ich wohl. Aber damit werde ich bis morgen früh warten. Sie hat zurzeit ja reichlich zu tun. « Stella schenkte ihm ein warmes Lächeln und verließ sein Zimmer. »Wer hätte das gedacht«, meinte Nalig leise zu sich selbst und legte sich zurück. A n ders als er bei Stellas Erscheinen erwartet hatte, fühlte Nalig sich nun tatsächlich besser. Leider blieben die Albträume dennoch nicht aus. Mehrfach schreckte Nalig schweißgebadet aus dem Schlaf und war erleichtert, als es endlich Morgen wurde.
Die Göttin der Insel
I n Serefil hatten die Menschen indes begonnen, die Spuren des A n griffs zu beseitigen. Zu Ilias großer Erleichterung war ihrem Vater nichts geschehen. Er war nicht im Haus gewesen, als das Feuer ausg e brochen war. Da die Schmiede allerdings fast völlig niedergebrannt war, mussten sie im Haus der Nachbarn schlafen. Dort hatte sich das Mädchen ein wenig von seinen Verletzungen erholt. Ilias Vater war, obgleich zweifelsohne froh, dass seine Tochter lebte, ihr gegenüber sehr abweisend in diesen Tagen. Das Mädchen glaubte zu wissen, was der Grund hierfür war und mied daher seine Gesellschaft, wann immer es möglich war. Gerade jetzt lief Ilia durch die Straßen und Gassen Serefils und beobachtete das Treiben der Leute. Die Trümmer, die von der Kathedrale übrig waren, wurden beiseite geräumt und aufgetürmt, um die größeren Mauerstücke für den Wiederaufbau zu verwenden. Jene, die in dem Gebäude den Tod gefunden hatten, waren bereits begraben. Noch immer war den Dorfbewohnern unklar, wer oder was in der Nacht des Angriffs geholfen hatte, die Verschütteten zu bergen. Auch gab es nur Vermutungen darüber, was sie überhaupt angegriffen hatte. Denn wie Ilia bald erkennen musste, hatten zwar alle Dörfler das Geschrei und die Kampflaute vom Himmel gehört, doch hatte außer ihr niemand die schwarzen, geflügelten Wesen gesehen. Nur jenes, das nun tot auf dem Dorfplatz lag, war niemandem entgangen. Zunächst hatten sich die Bewohner Serefils der Kreatur gar nicht nähern wollen. Dann hatten sie begonnen, das Tier zu zerlegen und die Stücke auße r halb des Dorfes zu verbrennen. Auch hatte niemand den riesigen goldenen Falken zu Gesicht bekommen, obgleich er mitten auf dem Dorfplatz gelandet war. Aus diesem Grund hatte das Mädchen auch niemandem von der Vermutung berichtet, Nalig sei in dieser Nacht im Dorf gewesen. Womöglich hatte Ilia sich auch nur getäuscht, da sie sich so verzweifelt wünschte, er wäre hier. Wie so oft führte ihr Weg sie hinunter zum See. Eine Hand auf den Bauch gelegt, blickte sie über das schwarze Wasser hinweg, soweit der Nebel es zuließ. Plötzlich drang ein helles Licht durch die Dunstschleier und etwas nahm dahi n ter Gestalt an. Sieben gewaltige Lichtkugeln brachen aus dem Nebel hervor. Sie waren von unterschiedlicher Farbe und so hell, dass Ilia nicht genau erkennen konnte, was sich darin verbarg. Vier der Lichter flogen über das Ufer und weiter ins Landesinnere. Die übrigen drei bogen ab und flogen am Ufer entlang, sodass Ilia einen näheren Blick auf sie erhaschte. Es waren drei riesige Tiere: Ein weißer Löwe, umg e ben von ebenso weißem Licht, etwas wie ein Wiesel, das blaues Licht verstrahlte und eine geflügelte Echse, von grünem Licht umhüllt. Ilia lief zurück ins Dorf, behielt die Lichter jedoch im Auge. Den Löwen hatte sie schon einmal gesehen. Er hatte das Zeichen vor die Schmiede gebrannt, als es für ihren Bruder an der Zeit gewesen war, den See zu befahren. Damals hatte niemand dem Mädchen Glauben geschenkt. Doch Ilia hatte den Löwen gesehen und sie sah ihn auch jetzt. Da jedoch niemand außer ihr den Blick zum Himmel erhoben hatte, ve r mutete sie, dass sie auch heute die Einzige war, der sich die Ersche i nung offenbarte. Irgendetwas Seltsames ging hier vor. Nur wusste Ilia zurzeit die Zeichen noch nicht zu deuten.
Naligs erster Weg am Morgen nach der Schlacht führte zu Mira. Seine Hand blutete und schmerzte noch immer und jedes Mal, wenn er die Finger beugte, klaffte der Schnitt so weit auf, dass ihm schlecht wurde. Es war noch früh, als Nalig aufbrach und in den umliegenden Zimmern herrschte Stille. Merlin schien den morgendlichen Spazie r gang zu genießen. Er flatterte um Nalig herum und schrie der au f gehenden Sonne entgegen. Mira war schon auf den Beinen. Insgeheim fragte sich der Junge, ob sie wohl jemals schlief. Thorix befand sich scheinbar auf dem Weg der Besserung. Wenigstens saß er aufrecht und löffelte
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