Die Insel der Krieger
nicht zur Hand gehen und seither haben mich all die Angriffe in Atem gehalten. Deshalb möchte ich jetzt, da wir keinen Geschichtsunterricht haben, wenigstens dieser Pflicht nachkommen. « Zalari schulterte seinen Bogen und machte sich auf den Weg. »Dann solltest du dich aber vorsehen«, rief Nalig ihm nach. »Mira hat heute nicht gerade ihren menschenfreundlichen Tag. « »Den hatte sie noch nie«, lachte Zalari und wandte sich im Gehen noch einmal um. Nalig machte sich also auf, um zu sehen, womit Arkas sich die Zeit vertrieb. Er saß in seinem Zimmer und las, war jedoch nicht dafür zu begeistern, irgendetwas zu unternehmen. So blieb Nalig nichts anderes übrig, als sich mit Merlin alleine auf den Weg zu machen. Durch Zalaris Worte neugierig geworden, umrundete er den Tempel zur Hälfte, ging an der Schmiede und der Waffenka m mer vorbei und fand sich schließlich auf der Rückseite des Tempels wieder, wo sich ein Hintereingang zur Küche befand. Dort fand er eine Weide vor, auf der eine Hand voll Schafe und Ziegen graste, ein paar Gemüsebeete mit Bohnen, Tomaten und Steckrüben und ein kleines Feld, auf dem das Getreide schon kniehoch stand. Außerdem gab es hier einen kleinen Verschlag aus Holz, vor dem zwei Dutzend Hühner eifrig pickten. Durch die fehlenden Jahreszeiten und das i m mer warme Wetter auf der Insel konnte man Getreide und Gemüse jederzeit anpflanzen. Rigo wässerte gerade die Beete, während Juray, der sich mit freiem Oberkörper schwitzend auf eine Hacke stützte, mit Aro sprach, der gerade dazugestoßen war. Dies war der einzige Ort auf Kijerta, an dem die Bewohner die riesigen Bäume gerodet hatten, um ihren Nutzpflanzen Licht zu verschaffen. Der Anblick erinnerte Nalig an den Hof seines Vaters. Fast sehnsüchtig dachte er an die Tage voll schwerer, stundenlanger Arbeit zurück, als noch nicht das Schicksal eines Königreiches in seinen Händen gelegen hatte. Hätten sich nicht schon drei Krieger der Bestellung des kleinen Stück Landes ang e nommen, so wäre dies sicher die Tätigkeit gewesen, die Nalig gewählt hätte. Mit Thorix und Greon neben dem griesgrämigen Jiro in der Schmiede zu schwitzen, war für ihn fast ebenso reizlos wie von Mira mit einem Körbchen durch den Wald gejagt zu werden, um nach Wu r zeln zu graben. Die Küchentür öffnete sich und Lina scheuchte mit dem Besen ein paar Hühner aus ihrer Küche. »Möchte nur mal wissen, wie die Viecher hier immer reinkommen«, schimpfte sie. Nalig wandte sich zum Gehen, als er bemerkte, dass Merlin begehrliche Blicke auf die flatternde Hühnerschar warf. Von Unternehmungslust gepackt, machte er sich zu einem Spaziergang durch den Wald auf. Nun, da er die Bildersprache mit Merlin nutzen konnte, machte er sich keine Sorgen mehr darüber, sich zu verlaufen. Merlin konnte jederzeit über das Blätterdach fliegen, von wo aus auf jeden Fall der Turm zu sehen war, der die Lage des Tempels verriet. Und wenn er eine Lichtung fand, die groß genug war, konnte er sogar mit dem Falken zum Te m pel zurückfliegen. Die Richtung, die Nalig eingeschlagen hatte, brachte ihn bald in einen Teil des Waldes, der nahezu undurchdringlich war. Gezwungen, seinen Kurs zu ändern, ging Nalig in die Richtung, die ihn weiter ins Innere der Insel führen würde. Er war schon eine Weile unterwegs, als die Bäume und Sträucher ringsum plötzlich vertraut wirkten. Zweifelnd blieb Nalig stehen und sah sich um. Die Bäume, in deren Schatten er stand, hatten tief hängende Äste und schienen dem Grün des Waldes einen goldenen Hauch zu verleihen. Merlin schickte dem Jungen das Bild eines Luchses und Nalig begriff. Sie waren nahe der Stelle, an der Merlin von der Raubkatze angegriffen worden war. Und diese Bäume mussten die Goldzedern sein, denen er seine Waffe verdankte. Das bedeutete, dass er ein ganzes Stück weiter von seiner geplanten Route abgewichen war, als er beabsichtigt hatte. Nalig b e gutachtete gerade die riesigen Bäume auf der Suche nach der Ursache des goldenen Scheins, da übermittelte sein Begleiter ihm ein weiteres Bild. Es zeigte eine weiße Gestalt zwischen den Bäumen. Als der Junge sich umwandte, entdeckte er Kaya. Schnell verschwand er im Schatten der Bäume. Weshalb er das tat, wusste er selbst nicht recht. Zwar hatte sie ihn vor dem Wald gewarnt, ihm jedoch nicht verboten, ihn zu durchwandern. Dennoch hielt er den Atem an, als Kaya vorüberging. Inständig hoffte er, dass sie ihn nicht bemerkte. An einen Baum g e drückt, wartete er,
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