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Die Insel der Mandarine

Die Insel der Mandarine

Titel: Die Insel der Mandarine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Das
dachte ich mir«, rief Meister Li zufrieden aus. Er wandte sich an mich. »Ochse,
das ist der Hauptgrund, warum wir noch einmal zur Insel gekommen sind. Wir sind
jetzt ganz sicher, daß der Leichenfresser wenige Stunden bevor er in seinen
Sarg am Kohlenhügel kroch, hier vor Ma Tuan Lins Pavillon war. Schön, und wie
ist er vom Pavillon zum Friedhof gelangt ?«
    »Na ja, ich nehme an, er
ist einfach...«
    Ich stockte mitten im Satz.
Zwischen dem Pavillon und dem Kohlenhügel befand sich der nördliche See, und
konnte ein Ch'ih mei etwa schwimmen? Die Vorstellung, daß ein solches Ungeheuer
gelassen, einen abgerissenen Kopf ordentlich zwischen die Füße geklemmt, in
einem Boot über den See rudern würde, war absurd, und Tante Huas Ausführungen
zum Thema Ch'ih mei klangen mir in den Ohren: »Ochse, wenn du nicht in die
Sonne fliehen kannst, dann lauf zum Wasser! Die Untoten fürchten es und würden
sich nur in allerhöchster Not in seine Nähe wagen .« Meister Li teilte den letzten Schluck Wein mit dem Puppenspieler und warf den
Ziegenlederschlauch dann ins Wasser hinunter. »Ich nehme an, daß du irgendwo
hier eine Hacke und eine Schaufel hast«, bemerkte er, an den Puppenspieler
gewandt. »Unsere Begegnung war so fruchtbar, daß ich unser Zusammensein
verlängern möchte, und wenn du nicht etwas Dringenderes zu tun hast, könntest
du uns vielleicht helfen wollen, die Spur des Vampirs zu verfolgen .«
    Yen Shih hatte Augen, die
sehr ausdrucksvoll sein konnten, und jetzt sprühten sie Funken. »Mit Vergnügen!
Und wenn es nur darum wäre, daß mir die Geschichte Gesprächsstoff und
Einladungen zum Essen für einen Monat einbringt«, erklärte er. Meister Li
sprang auf meinen Rücken, und wir beeilten uns, zum Pavillon zu gelangen. Wir
hielten nur an, um Hacke und Schaufel aus dem Graben zu holen, in dem Yen Shih
sie versteckt hatte, und schon bald standen wir dort, wo die Fliegen noch immer
das Stück Gras umschwirrten, das vom Blut des Mandarins verkrustet war. Ich
dachte, Meister Li würde uns nach Klauenspuren suchen lassen, doch er hatte
sich etwas anderes in den Kopf gesetzt und deutete auf den Erdhaufen, aus dem
das scheußliche Wesen offensichtlich hervorgekrochen war.
    »Das soll Erde sein, die
für ein Gebäude ausgehoben wurde«, sagte er. »Auf der Hortensien-Insel wird nur
selten gebaut, und mir ist nichts von derartigen Plänen zu Ohren gekommen. Seht
nach, ob ihr die Grube finden könnt, aus der das Zeug stammt .« Wir arbeiteten uns rings um den Erdhügel durch das Gestrüpp. Schließlich hatten
wir, immer weitere Kreise ziehend, die äußerste Stelle erreicht, von der aus es
möglich war, die Erde bis zu dem Hügel zu werfen, und wir waren immer noch auf
kein Loch gestoßen. Nun blieb nur noch die Möglichkeit, daß die Arbeiter die
Erde so aufgehäuft hatten, daß die Hälfte davon wieder heruntergerutscht war.
Wir gruben also eine Reihe von Löchern in den Hügel selbst, stießen aber mit
der Schaufel immer wieder auf festen Boden oder braunes zerdrücktes Gras.
    »Ehrenwerter Meister«,
erklärte ich schließlich, »die Erde stammt nicht von hier. Sie muß von woanders
hierhergebracht worden sein .«
    »Das«, entgegnete Meister
Li zufrieden, »ist genau, was ich erwartet habe, und ich wette hundert zu eins,
daß sich diese Stelle auf der anderen Seite des Sees in der Nähe des
Kohlenhügels befindet. Vampire entfernen sich nie weit von ihrem Sarg. Unser
Ch'ih mei ist entweder in einen Erdhaufen in der Nähe des Friedhofs gefallen
oder hat dort ein Schläfchen gemacht, jedenfalls wurde er durch Zufall
hierhergebracht, und sein Heimatinstinkt machte es ihm möglich, den Weg zu
finden, den die Erde genommen hatte. Wenn aber ein Ch'ih mei diesen Weg finden
konnte, so können wir es auch .«
    Nun, da wir wußten, wonach
wir suchten, dauerte es nicht lange, bis wir es gefunden hatten. Yen Shih trieb
die Hacke mit Schwung in das dichte Unterholz vor einer nahegelegenen niedrigen
Uferklippe und hätte um ein Haar sein linkes Bein aufgeschlitzt, als er
plötzlich auf keinen Widerstand mehr stieß. Wir schoben die Zweige auseinander
und sahen vor uns eine große, dunkle Öffnung, und als wir auch noch lockere
Erdklumpen und die Spuren von großen, schwer beladenen Rutschen entdeckten,
waren alle Zweifel ausgeräumt. Ich rannte zum Yu zurück, um Fackeln zu holen,
und dann machten wir uns auf den Weg durch den Tunnel, der in östlicher
Richtung zur Kaiserlichen Stadt und dem Kohlenhügel verlief.
    Es

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